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Bilder, die Angst machen - 3. Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz der BLM zu Katastrophen und Krisen in den Medien

11.05.2017 | 35 2017
Zerbombte Gebäude, blutüberströmte Menschen, Chaos auf den Straßen – wie erleben Kinder und Jugendliche die Zunahme von Terror, Amokläufen und anderen Krisen? Welche Spuren hinterlassen die Bilder in den Medien? Wie können Heranwachsende bei der Einordnung und Aufarbeitung solcher Inhalte begleitet und unterstützt werden? Die ausgebuchte Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz der BLM gestern zeigte, dass diese Fragen viele Menschen bewegen.  „Die Macht der Bilder führt nicht selten zur Ohnmacht der Nutzer“, sagte Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), München, in seiner Begrüßung.
 
Und es sind nicht allein die Zuschauer, die sich überfordert fühlen von der Gewalt und Unmittelbarkeit des Geschehens, wie Moderator Dr. Stefan Leifert in einem persönlichen Statement schilderte. Der ZDF-Korrespondent war beim Attentat auf den Brüsseler Flughafen vor einem Jahr vor Ort: „Das Schlüsselerlebnis war für mich der Moment, als 14 Leichenwagen hinter mir vorbeifuhren, während ich vor der Kamera stand.“ Leiferts Credo zur Krisenberichterstattung: „Journalismus sollte nicht schneller sein als er gut sein kann.  Sonst unterscheiden wir uns in nichts von dem, was im Netz passiert.“
 
Doch der etablierte Journalismus steht unter Zeitdruck. Wie weit gehen Medien im Kampf um Aufmerksamkeit und Quoten? Für Dr. Torsten Rossmann, Geschäftsführer der WeltN24 GmbH, ist die Grenze da erreicht, wo die Menschenwürde beginnt. Diese Grenze zu wahren, sei in der Hektik des Geschehens nicht immer einfach: „Im Netz kommuni­zieren die Leute viel schneller, als wir das können. Da sehe ich den Zusammenhalt der Gesellschaft herausgefordert, wenn nicht gefährdet.“
 
Wie stark fordern Katastrophen das Medienhandeln heraus? Das ist eine der Fragen, mit denen sich Prof. Dr. Alexander Filipović von der Hochschule für Philosophie in München  beschäftigt: „Die Medien liefern sich dem Drama des Momenthaften aus“, erläuterte der Medienethiker in seinem Vortrag. Nicht immer gehe das gut aus, als Beispiel nannte er den Amoklauf in München im Juli 2016. Für  Filipović war das ein klarer Fall einer „Überforderung der Menschen mit der Echtzeitkommunikation.“
 
Der Mann, der diese Echtzeitkommunikation zu koordinieren hatte, war Marcus da Gloria Martins, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Polizeipräsidium München. Seine Arbeit während des Amoklaufs stand im Konflikt mit dem Informationsfluss der sozialen Netzwerke und der Messenger-Dienste: „Durch WhatsApp ist eine Kaskade von Gerüchten entstanden“, erklärte Martins. „Das hat zu einem explosionsartigen Zuwachs an Notrufen geführt und zu 73 gemeldeten Phantom-Tatorten. Die Dramatisierung war teils bizarr.“
 
Mediale Darstellungen realer Gewalt sind besonders für Kinder und Jugendliche schwer zu ertragen. „Deshalb brauchen wir den Jugendschutz, der ein Rechtsgut mit Verfassungsrang ist“, erinnerte Birgit Braml, Leiterin des Referats Grundsatz­fragen Jugend- und Nutzerschutz bei der BLM. Es gelte stets zwischen Jugendschutz und Presse- und Meinungsfreiheit abzuwägen, so Sonja Schwendner, BLM-Referatsleiterin für inhaltlichen Jugend­schutz und Prävention. Jeder Einzelfall müsse auf die Wirkung auf Heranwachsende hin geprüft werden: „ Es wird aber immer wieder problematische Bilder geben. Wichtig ist es, die Kinder damit nicht allein zu lassen.“
 
Was konkret können Eltern in solchen Momenten tun? „Kinder reagieren sehr stark auf das Rezeptionsverhalten ihrer Eltern“, erklärte Prof. Dr. Frank Schwab von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Der Medienpsychologe rät dazu, Kindern vor allem zuzuhören: „Es gibt in der Forschung kaum Belege, dass das Reden über schreckliche Nachrichteninhalte hilft.“ Und wenn geredet wird, dann besser auf der Sachebene, ergänzte Dr. Maya Götz. Die Leiterin des Internationalen Zentral­instituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München sagte: „Was Kinder brauchen, sind Fakten ohne zusätzliche Emotionalisierung. Das hilft ihnen, die Dinge einzuordnen.“
 
Und wie lässt sich Kindern und Jugendlichen Medienkompetenz  vermitteln? Bei einem Podiumsgespräch tauschten sich Lehrer, Eltern und Medienpädagogen aus. „Eltern und Schulen sollten in Fragen der Medienkompetenz kooperieren, zum Beispiel mit Blick auf die Verifizierung von Quellen“, meinte Schauspielerin Gesine Cukrowski. Die dreifache Mutter outete sich als Fan des Programmratgebers für Eltern, FLIMMO, dem größten gemeinsamen medienpädagogischen Projekt der Landesmedienanstalten.
 
„Uns ist es wichtig, den Blick von Kindern ernst zu nehmen“, bestätigte Michael Gurt, verantwortlicher Redakteur des FLIMMO. Er wünschte sich von den Medien­häusern mehr spezialisierte Informationsformate für Kinder. Nach Ansicht von Helmut Friedl, Studiendirektor am Sophie-Scholl-Gymnasium, gibt es keine vorgefertigten Lösungen, wie man mit Kindern über Krisen spricht. „Wichtig ist auf den individu­ellen Gesprächsbedarf einzugehen“.
„Wer Kinder ernst nehme, müsse sich auch ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen, sagte Verena Weigand Bereichsleiterin Medien­kompetenz und Jugendschutz, BLM. „Kinder wollen genaue Informationen. Bis hin zu der Frage, warum Menschen anderen Gewalt antun. Mit solchen Fragen bringen sie uns an Grenzen. Es ist wichtig, sich ihnen zu stellen.“
 
Weitere Informationen und Fotos zur Veranstaltung finden Sie hier.

Kontakt:
Bettina Pregel
Tel.: (089) 638 08-318
bettina.pregel@blm.de