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„Kampagnenfähige Reichweite bietet nur Radio“
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„Kampagnenfähige Reichweite bietet nur Radio“

Der bayerische Lokalfunk steht aktuell gut da, findet Philipp von Martius, Geschäftsführer von Studio Gong und der BLW Bayerischen Lokalradio-Werbung. Um diese Position zu halten, setzt er auf die Vermarktung kampagnenfähiger Reichweite und datengestützter Kontaktvolumina. Ein Entweder-oder gibt es für ihn nicht.

INTERVIEW Regina Deck und Bettina Pregel

Tendenz: Webradio, Streaming-Dienste, Podcasts, Smart Speaker – längst leben wir nicht mehr in einer Radio-, sondern einer immer vielfältigeren Audiowelt. Was sind die größten Herausforderungen für den klassischen Hörfunk in dieser Welt?

Philip von Martius: Es stimmt sicherlich, dass die Hörfunkwelt dabei ist, sich signifikant in eine Audiowelt zu wandeln. Dabei gibt es unterschiedliche Ebenen des Wandels – den Wandel in der technischen Distribution von UKW zu vielen parallelen Verbreitungen bis hin zu den Intermediären und zugleich beim Audioprodukt selbst mit linearen und non-linearen Gestaltungen. Bei all diesen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern ist der bisherige, klassische Hörfunk mit anderen Wettbewerbsangeboten konfrontiert. Die größte Herausforderung wird dabei meines Erachtens sein, die Stärken des eigenen Angebots so zu fokussieren, dass man für die Hörer in den unterschiedlichen Wettbewerbskonstellationen immer relevant bleibt und zugleich die verschiedenen Produktgestaltungen so zu nutzen weiß, dass dadurch die eigene Marke gestärkt wird.

Wodurch muss sich insbesondere der Lokalfunk künftig auszeichnen, um seine Alleinstellung in der konvergenten Audiowelt zu behaupten?

Sie sprechen schon von einer „Alleinstellung“ des Lokalfunks – das ist nicht selbstverständlich, sondern wird immer wieder neu zu erkämpfen sein: Im Werbemarkt hat der Lokalfunk die große Chance, mit seinem konvergenten Angebot eine fokussierte Reichweite auf sein UKW-Gebiet ohne großen Streuverlust einerseits und zugleich auch relevante Kontakte über seine Online Audio-Angebote andererseits aus einer Hand anbieten zu können. Das kann allein er für dieses Gebiet dem Werbekunden anbieten. Dieser konvergente Mix aus unterschiedlichen Reichweitenkomponenten ist für das eigene Verbreitungsgebiet sicherlich eine hoch attraktive Angebotsposition. Diese beiden Reichweitenkomponenten müssen aber im Hörermarkt auch gehalten und ausgebaut werden – und dazu ist die vorstehend benannte Fokussierung auf eine möglichst eindeutige Produkt- und Markenstärke ein zentraler Hebel.

Welche konkrete Unterstützung bzw. Leistungen bieten Sie als Vermarkter dem Lokalfunk?

Einfach ausgedrückt: Wir sehen als Studio Gong und BLW unsere Aufgabe darin, die Sender für die Vermarktung auch über ihr eigenes Verbreitungsgebiet hinaus gegenüber Agenturen und Werbetreibenden relevant zu halten beziehungsweise zu machen. Dies geschieht zum einen direkt über die überregionale und nationale Angebotsbildung und Vermarktung der Werbezeiten.

Zum anderen geht es aber auch um die technische Infrastruktur, die eine moderne Vermarktung im klassischen wie im digitalen Bereich erst möglich macht. Ein Beispiel aus dem klassisch terrestrischen Bereich: Wie kann man das Ausspielen von Spots so flexibilisieren, dass unterschiedliche Motive zu unterschiedlichen Anlässen ausgestrahlt werden? Wenn es in Nordbayern heftig schneit, während in Südbayern die Sonne scheint, dann ist es etwa für den Handel schon spannend, unterschiedliche Motive jeweils dazu passend auszuspielen – etwas, was auf Reichweitenbasis nur im Lokalfunk möglich ist. Damit das ohne händischen Einsatz vor Ort klappt, braucht es allerdings einen technischen Backbone, der einen Motivtausch eben auch bei rund fünfzig Lokalstationen ermöglicht.

Im Online-Audio-Bereich nimmt diese Notwendigkeit der technischen Vernetzung zwischen den einzelnen Stationen noch einmal massiv zu, um das Kontaktinventar und dessen Datenprofile für eine relevante Vermarktung zu generieren und zeitexakt auszuspielen. Hier entwickelt sich deshalb inhaltsgetrieben eine hohe Innovations-und Kooperationsbereitschaft zwischen unseren Sendern. Studio Gong und BLW betreiben für die Sender den Adserver-basierten Tech Stack, um das Inventar der Sender am programmatischen Handel anzuschließen. Daneben organisieren wir die technisch unterschiedlichen Wege, um die dabei entstehenden Daten der Nutzer zu erfassen und marktgerecht aufzuarbeiten. Wir gehen auch Kooperationen mit anderen Publishern ein, um in der Inventarentwicklung der Sender in effizienten Prozessen arbeiten zu können. So arbeitet die BLW an einer gemeinsamen Gesellschaft mit Publishern wie Antenne Bayern, Radio FFH, RTL Radio und anderen zur gemeinsamen Datenverarbeitung auf Log-in-Basis. Dennoch brauchen wir immer wieder auch spezifische Lösungen für unsere Sender, da der Lokalfunk nun mal nicht eine einzige, sondern unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten hat.

Wie ist der bayerische Lokalfunk mit Blick auf die veränderte Audiowelt derzeit aufgestellt? Und aus welchen Erfahrungen in anderen Märkten – etwa dem Lokalfunk in den USA – ließe sich noch etwas lernen?

Wir haben beim Radio in den vergangenen drei Jahren eine bemerkenswert positive Entwicklung gehabt, an der auch der Lokalfunk deutlich partizipiert hat. Insofern steht der Hörfunk in zweierlei Hinsicht gut da: Einerseits verfügt Radio über eine so starke Tages- und Stunden-Reichweite wie kaum ein zweites klassisches Medium – und wie eben kein Online-Medium. Und andererseits ist durch die aktuelle Audio-Entwicklung auch im Online-Bereich der Radiosender eine attraktive Wachstumsperspektive entstanden. Andererseits, wenn man die Geschwindigkeit im Online-Bereich registriert, dann stehen wir hier erst am Anfang unserer Hausaufgaben.

Internationale Vergleiche als direkte Ratgeber erscheinen mir dabei eher schwierig, da die nationale Wettbewerbssituation doch sehr unterschiedlich ist. In den USA gibt es etwa im Umsatz ein Verhältnis von 80 zu 20 zwischen lokalen und nationalen Erlösen, aber diese sind völlig anders als bei uns strukturiert und somit nicht vergleichbar. Allerdings ist es erfreulich zu hören, dass etwa so ein Schwergewicht wie Procter & Gamble einen erheblichen Teil seiner Werbespendings vom Online- in den Radio-Bereich verlagert hat, da kampagnenfähige Reichweite für einen wesentlichen Teil seines Produktportfolios wirtschaftlich relevanter als Targeting-ausgerichtetes Kontaktvolumen ist. Analoge Reichweite und Online-Kontaktinventar sind eben zwei eigenständige Instrumente, die jeweils unterschiedliche Werbestrategien ermöglichen. Deshalb gibt es auf Seiten der Werbekunden Entwicklungen in beide Richtungen: von analog zu digital und auch umgekehrt.

Basis einer erfolgreichen Hörfunkvermarktung sind Nutzungsdaten, welche die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse bereitstellt. Welche Bedeutung hat Ihrer Ansicht nach die Webradio-Nutzungsstudie Media-Analyse IP Audio für den Lokalfunk?

Grundsätzlich ermöglicht die Media-Analyse IP Audio auch dem Lokalfunk, die Entwicklung der Kontaktreichweiten seiner Online-Audio-Angebote auf Basis der Logfile-Analyse sowie die dabei generierte Hördauer zu erkennen und auf dieser Basis weiterzuentwickeln. Da wir dies derzeit nicht in der Funkanalyse Bayern auffinden können, ermöglicht die Media-Analyse IP Audio auch dem Lokalfunk eine Orientierung in puncto Online-Audio-Entwicklung, da hier auch der Vergleich mit anderen Publishern besteht. Und da die Media-Analyse IP keine Kontaktwahrscheinlichkeit, sondern tatsächliche Kontakte widerspiegelt, sind dies schon relevante Eckdaten für die eigenen Programmentwicklungen. Für einzelne, konkrete Entwicklungsschritte bedarf es dann noch weiterer Analyse-Tools.

Im Juli sollen in der Media-Analyse 2019 Audio II erstmals auch Reichweiten von DABplus-Angeboten ausgewiesen werden. Welchen Mehrwert bietet die differenzierte Ausweisung von DABplus für die Vermarktung?

Wenn hier Reichweiten für DABplus gesondert sichtbar werden, dann wird damit grundsätzlich die Möglichkeit für eine Reichweiten- und Preisdifferenzierung in der Vermarktung ermöglicht. Dies ist insbesondere für die Veranstalter sinnvoll, bei denen das UKW- und das DABplus-Gebiet räumlich deutlich differiert. Zudem kann es dem Veranstalter auch für seine Hörerentwicklung Einblick in die Wirksamkeit seiner räumlich unterschiedlich gesteuerten Marketingaktivitäten geben.

Von Anbietern, die ihre Programme nur über das Internet oder DABplus verbreiten, hört man immer wieder, dass die Media-Analyse Audio zu wenig auf kleine Sender zugeschnitten ist. Was müsste geändert werden, damit auch für solche Angebote vermarktungsrelevante Reichweitenzahlen zur Verfügung stehen?

Vermutlich muss man sich schon die Historie der Media-Analyse-Reichweitenstudie anschauen, die ursprünglich aufgrund der föderalen Struktur der ARD-Sender allein für landesweite Flächenangebote gedacht war. Durch das Hinzutreten der privaten Angebote haben ja schon viele Modifikationen stattgefunden, um die unterschiedlichen Senderstrukturen zu berücksichtigen, wobei dadurch die Schwankungsbreite nicht unbedingt geringer geworden ist. Wenn künftig nun aufgrund der (digitalen) Angebotsvergrößerung zunehmend deutlich spitzer zugeschnittene Programmtypologien entstehen, dann stellt dies natürlich eine neue Herausforderung dar. Der Ruf nach zusätzlichen Fallzahlen ist leicht zu äußern, aber wirtschaftlich unter den aktuellen Usancen nur schwerlich zu stemmen. Insofern wird massiver Druck zur Ökonomisierung der Reichweitenstudien die Folge sein.

Bislang setzt die Vermarktung auf Basis der Media-Analyse Audio ausschließlich auf Masse. Welche zusätzlichen vermarktungsrelevanten Daten wären aus Ihrer Sicht für eine erfolgreiche Hörfunkvermarktung generell und speziell für den Lokalfunk hilfreich?

Die Formulierung „ausschließlich auf Masse“ ist mir ein wenig zu negativ – die Eigenschaft einer kampagnenfähigen Reichweite haben wenige Medien, und Radio ist da ziemlich führend. Und wie das Beispiel Procter & Gamble in den USA eben auch zeigt, ist Reichweite als Instrument für den Return on Investment bestimmter Produkte und Dienstleistungen schlicht nicht zu ersetzen. Insofern wird die klassisch reichweitenorientierte Vermarktung auch weiterhin ein Schwerpunkt in der Radiovermarktung sein. Was allerdings durch Online Audio für Radio als zweites „Vermarktungsstandbein“ hinzukommt, das ist die Fähigkeit zur Differenzierung der eigenen Kontakte, um neben der umfassenden Werbeansprache eben auch das Fein-Tuning hinzubekommen. Und um die Differenzierung der Kontakte qualitativ hochwertig gestalten zu können, braucht auch der Lokalfunk die Instrumente der Datenerfassung und -profilierung. Um der oben angesprochenen unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeit der bayerischen Sender nachzukommen, richten wir mit der BLW gerade zwei Optionen dafür ein: Cookie- und/oder Log-in-basierte Verfahren.

Wagen Sie bitte mal eine Prognose: Angesichts der vielen Änderungen im Audiomarkt – wo sehen Sie den bayerischen Lokalfunk in zehn Jahren?

Kennen Sie eine Zehn-Jahres-Prognose, die jemals eingetreten ist? Lassen Sie uns lieber über kleinere Zeiträume sprechen: Wenn wir in drei, vier Jahren sagen können, dass wir beides nun gut können – Vermarktung von kampagnenfähiger Reichweite und von datengestützten Kontaktvolumina – dann haben wir die aktuell gute Position des bayerischen Lokalfunks wirtschaftlich sinnvoll entwickelt. In der Sache ist das dann übrigens eine richtig sportliche Aufgabe.

Grafik: rosepistola.de
unter Verwendung von iStock.com/channarongsds, Shutterstock.com: Aleksei Derin, Peter Horrox 
Porträt Philipp von Martius: Studio Gong

Bild Regina Deck
Regina Deck ist stellvertretende Bereichsleiterin Medienwirtschaft und Medienforschung der BLM. Sie vertritt die Landeszentrale als Mitglied in der agma und betreut hauptverantwortlich die Forschungsaktivitäten der BLM. Zuvor war sie 18 Jahre bei Kantar in der Medienforschung tätig.
Bild Bettina Pregel

Bettina Pregel ist stellvertretende Bereichsleiterin Kommunikation der BLM und leitet als Pressereferentin die Social-Media-Aktivitäten der BLM. Sie betreut unter anderem das Magazin Tendenz und den Blog BLM plus.

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