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Vertrauen in seriösen Journalismus stärken
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Vertrauen in seriösen Journalismus stärken

Bill Gates als Züchter des COVID19-Virus und Regierungen, die den Impfzwang einführen wollen – die Corona-Krise hat sich als Einfallstor für Verschwörungsmythen erwiesen. Alternative Fakten verbreiten sich im Netz und auf Social Media rasend schnell und treffen auf verunsicherte Medienrezipienten. Tendenz hat die Geschäftsführern von »Der Goldene Aluhut«, Giulia Silberberger, um eine Einschätzung der Situation gebeten. 

TEXT Giulia Silberberger

Schon zu Beginn der Corona-Pandemie, als im Januar 2020 die ersten Meldungen über eine ominöse Lungenkrankheit aus China in den Medien die Runde machten und die weltweite Krisenlage noch in weiter Ferne stand, zeigte sich das verschwörungsideologische Potenzial, das das neuartige Coronavirus mit sich brachte. Noch vergleichsweise harmlos wurde in einschlägigen Gruppen die Möglichkeit eines 5G-Testzentrums in Wuhan diskutiert und ob vielleicht nicht die Mobilfunkstrahlung Auslöser der Krankheitssymptome sein könnte. Doch mit zunehmender Gefahrenlage und Ausbreitung der Krankheit verschärften sich auch die Mythen, Verschwörungserzählungen und die Desinformation rund um COVID19.

Selbsternannte Experten traten auf den Plan, um die Gefährlichkeit des Virus herunterzuspielen. Musiker weinten in Kameras über in geheimen Tunneln gehaltene Kinder, und vegane Kochbuchautoren kündigten auf ultrarechten Demos an, der nächste Reichskanzler zu werden, um dieses Land von der Knechtschaft der sogenannten Eliten zu befreien. Doch wir sind nicht die ersten Menschen, die sich mit Verschwörungserzählungen in Krisenzeiten konfrontiert sehen – und wir werden vermutlich auch nicht die letzten sein.

Narrative über vermeintliche Drahtzieher und Akteure hinter einem Ereignis kennen wir bereits aus der Zeit der Pest, als der jüdischen Bevölkerung die Schuld für die Seuche in die Schuhe geschoben wurde. Wir müssen aber historisch gar nicht so weit zurückgehen, um vergleichbare Beispiele zu finden. Als 2014 bis 2016 das Ebola-Virus ausbrach und die Angst aufkam, die Krankheit könnte auch Europa erreichen, wurden Verschwörungserzählungen laut, die behaupteten, Bill Gates stecke dahinter. Gates, so die Mythen, habe das Virus in einem Labor gezüchtet und lasse es nun auf die Menschheit los, um eine weltweite Impfpflicht einzuführen. Die Impfstoffe sollen Mikrochips mit winzigen Giftkapseln enthalten, mit denen wir trackbar und bei Bedarf einfach auszuschalten seien. Wer sich nun an die aktuellen Verschwörungserzählungen um COVID19 erinnert fühlt, liegt damit gar nicht so falsch.

Wenn Desinformation auf verunsicherte Menschen trifft

Während die seriöse Wissenschaft Zeit braucht, um verlässliches Wissen zu schaffen, schöpfen Verschwörungserzählungen aus einem seit Jahren bestehenden Pool der Desinformation – und treffen auf verunsicherte Menschen, die auf der Suche nach Antworten zur aktuellen Krisenlage sind. Menschen, die durch die Pandemie verängstigt sind, ihres Sicherheitsempfindens beraubt wurden und ihre Existenzen in Gefahr sehen. Dass die weltweite Wirtschaft unter der aktuellen Lage leidet und viele Jobs verloren sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Jedoch steckt dahinter kein zwielichtiger Plan einer geheimen Schattenregierung, sondern es ist eine Auswirkung der Krise selbst. Doch für viele ist es eine emotionale Entlastung, die Schuld für die Lage auf jemanden schieben zu können, der greifbar ist. Und die Regierung oder ein Mr. Gates sind nun mal greifbarer als ein COVID19-Erreger.

Fake News nur Vorstufe

Diese Narrative werden natürlich auch von Menschen gelesen, gehört oder gesehen, die möglicherweise nie gelernt haben, ihre Quellen zu prüfen oder Meldungen aus dem Internet mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Und sie daher für bare Münze nehmen und weiterteilen. Eine Studie der Columbia-University von 2016 zeigte beispielsweise, dass 59% der Twitter-User Inhalte gar nicht lesen, bevor sie sie teilen. Wird man von einer Headline angesprochen und/oder bestätigt sie die eigene Denkweise, ist der Beitrag schnell geteilt, ohne nachzuprüfen, was sich dahinter möglicherweise verbirgt. Dieses Phänomen ist als »Sharebait« bekannt. So verbreiten sich nicht nur seriöse Nachrichten, sondern auch »alternative Fakten« (Fake News) und Verschwörungstheorien im Netz rasend schnell. In nahezu Echtzeit machen Falschmeldungen die Runde, die behaupten, das Virus sei gar nicht gefährlich, die erhobenen Zahlen über Krankheits- und Todesfälle seien fingiert und die Pandemie nur ein Vorwand der Regierungen, uns unserer Grundrechte zu berauben.

In der ersten internationalen Corona-Fakes-Studie fanden die Forschenden der Friedrich-Naumann-Stiftung heraus, dass 34 Prozent der befragten Deutschen glauben, die Medien würden Tatsachen über das Coronavirus verschweigen. 28 Prozent waren überzeugt, dass Bill Gates aus finanziellen Interessen eine Zwangsimpfung für die Menschheit fordere. Doch Fake News sind nicht zwangsläufig mit Verschwörungsideologien gleichzusetzen, auch wenn sie die Vorstufe zu ihnen sind und die »Argumente« für die übergeordnete Erzählung liefern. Vielmehr müssen wir Falschmeldungen als die Bausteine betrachten, aus denen Verschwörungsmythen zusammengesetzt sind. Sie sind wie Mosaik-Steinchen die erst mit etwas Abstand betrachtet ein Bild ergeben, das eine Weltverschwörung zeigt. Entsprechend flexibel und kombinierbar sind sie in ihrer Zusammensetzung.

Vielen Menschen, die solche Fake News teilen, ist daher gar nicht bewusst, auf welche Inhalte diese Meldungen eigentlich abzielen. Während klassische Verschwörungsideologien meist als solche erkennbar sind und das Gesamtbild der vermeintlichen Verschwörung mit Buzzwords wie »die Elite«, »das System«, »New World Order« oder »die Zionisten« auch offen propagandieren, erwecken Fake News nicht selten den Anschein des investigativen Journalismus. Oftmals professionell aufgemacht und entsprechend bebildert, zielen sie darauf ab, das Publikum auf einer emotionalen Ebene zu packen, die das Überprüfen der Quellen obsolet erscheinen lässt.

Wache Community contra schlafende Gesellschaft?

Es verwundert somit auch nicht, dass verschwörungsideologische Social Media-Gruppen und Kanäle seit Aufkommen der Pandemie einen vergleichsweise hohen Zulauf erfahren. Personen, die von Falschmeldungen geködert wurden und sich weiterführende Informationen im Internet erhoffen, treffen auf eine Community, die ihr Eintreffen bereits erwartet. Eine Community, die sich selbst als erwacht betrachtet, während alle anderen um sie herum noch schlafen. Und die es als ihren Auftrag ansieht, die Gesellschaft aufzuwecken. Das Internet mit seinen Möglichkeiten der Multiplikation ist hier ein probates Mittel, Menschen zu erreichen, die man sonst nicht erreichen würde. Social Bots tragen Fake News, Videos und tendenziöse Sharepics auch in den entlegensten Newsfeed.

Diese Strategie geht auf. Anfang und Ende August gingen in Berlin zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen Schutzmaßnahmen zu demonstrieren, die uns die vergangenen Monate in diesem Land vor dem Schlimmsten bewahrt haben. Eine Bewegung, die im Internet ihre volle Wucht entwickelte und durch die Vernetzung mit Social Media erst möglich wurde.

Eine Mischung aus bundesweit angereisten Esoterikern, klassischen Verschwörungsideologen und Impfgegnern, QAnon-Gläubigen und ultrarechten Gruppierungen vereinigten sich mit Bürgern aus der so genannten Mitte der Gesellschaft. Das Bild von Friedenstauben und Reichskriegsflaggen in einem gemeinsamen Demonstrationszug mag auf den ersten Blick unwirklich anmuten, doch was diese Menschen eint, ist der Gedanke an den Widerstand gegen eine gemeinsam empfundene Bedrohung.

Forschende der Universitäten Fribourg (Schweiz), Rennes und Paris, die erstmals die Schnittmenge zwischen Verschwörungsglauben und Kreationismus ermittelten, kamen zu dem Ergebnis, dass sich beide Gruppen »die Existenz allmächtiger Akteure hinter den Dingen vorstellen. Darüber hinaus lehnen beide epistemische Autoritäten wie z.B. die Wissenschaft und ihre Experten, aber auch die Politik mit ihren Regierungen oder die offiziellen Medien ab.«, heißt es in der Veröffentlichung. Ein Bild, das wir auch in der aktuellen Pandemielage beobachten können.

Medien, Politik und jeder Einzelne gefordert

Fundierte, unaufgeregte und sachliche Be­­richt­erstattung sind daher wichtiger denn je. Das Vertrauen in seriösen Journalismus, der die so wichtige Gatekeeper-Funktion einnimmt, muss wiedergewonnen und gefördert werden. Saubere, journalistische Arbeit fängt im Detail an, zum Beispiel bei klar gekennzeichneten Symbolbildern, und sollte transparent sein. Eine klare Abgrenzung von unseriöser Berichterstattung und »alternativen Fakten« muss von Medienkonsumenten leistbar sein, aber auch von Medienschaffenden klar erkennbar geliefert werden. Und es müssen weiterhin zielgruppenorientierte medienpädagogische Angebote geschaffen werden, die das Handwerkszeug im Umgang mit dem Übermaß an Informationen liefern, die das Internet hervorbringt. Die Aufgabe, den Verschwörungserzählungen in der Gesellschaft wieder ihren unverdienten Einfluss zu nehmen, ist eine gesamtgesellschaftliche. Medien, Politik, aber auch jeder einzelne von uns sind hier gleichermaßen gefordert.


Jef Thompson/Shutterstock.com (3), rosepistola.de

Bild Giulia Silberberger
Giulia Silberberger ist Gründerin und Geschäftsführerin von »Der goldene Aluhut«. Die Betriebswirtin engagiert sich seit 2013 für die Aufklärung über Verschwörungstheorien und ideologischen Missbrauch.
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