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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

11.12.1997 | 12R 46

Die Medienlandschaft ist kräftig in Bewegung. Der deutsche Fußballbund (DFB) darf die Fernsehrechte für Heimspiele im Fußball-Europapokal der Pokalsieger und im UEFA-Pokal nicht mehr zentral vermarkten. Dies hat heute der Bundesgerichtshof entschieden. Das Gericht bestätigte damit eine Verfügung des Bundeskartellamtes aus dem Jahre 1994, in der die Zentralvermarktung als Kartell eingestuft wurde. Der belgische EU-Kommissar van Miert hat am 5.12.1997 verlangt, den Einsatz der sogenannten d-box durch DF1, Premiere und die Telekom zu stoppen, die notwendig ist, um digitale Fernsehprogramme empfangen zu können. Der Einsatz der d-box wurde als eine teilweise Vorwegnahme der Fusion bzw. Zusammenarbeit von Kirch, CLT/UFA und Telekom eingestuft, obwohl eine kartellrechtliche Genehmigung der Europäischen Union noch nicht vorliegt. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentrationsfragen (KEK) hat alle Landesmedienanstalten aufgefordert, sie unmittelbar über die Versuchsprojekte im digitalen Fernsehen zu unterrichten, die Rechtsgrundlagen und die Entscheidungsabläufe darzulegen. Zugleich hat sich der KEK-Vorsitzende Herr Jochimsen öffentlich vor einer Beratung der KEK, zu den Anträgen von "Premiere neu" auf Zulassung digitaler Programme bei der hamburgischen Medienanstalt und bei der BLM bereits inhaltlich zu dieser Zusammenarbeit mit deutlicher Ablehnungstendenz geäußert, ohne daß ihm entsprechende Unterlagen oder Anträge bereits vorlagen. Dies wird allerdings noch in dieser Woche geschehen, nachdem die HAM und die BLM die entsprechenden Anträge und umfangreichen Unterlagen vorgeprüft haben.

In der bayerischen Medienpolitik gibt es z.Zt. noch ein besonderes Reizthema, nämlich die Rücknahme von ORF1 aus den bayerischen Kabelnetzen. Diese verschiedenen Sachverhalte zeigen eines sehr deutlich, die Markt- und Wettbewerbsbedingungen bei den elektronischen Medien sind weiter in einem dynamischen Entwicklungsprozeß.

Kurz zurück zu der Entscheidung der Europäischen Union: Nach der Einigung von Kirch/Bertelsmann und der Telekom mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über seine maßgebliche Mitwirkung an der Entwicklung digitalen Fernsehens, haben alle Beteiligten den Einsatz der d-box für das digitale Fernsehen in Deutschland begrüßt und sich darüber auch gemeinsam verständigt. Bedingung war, daß in der Weiterentwicklung dieser Technik sämtliche Fragen, die einem chancengleichen Zugang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privater Unternehmer entgegenstehen könnten, ausgeräumt sind. Dabei ist man sich in der deutschen Medienpolitik grundsätzlich darüber einig, daß im Interesse des Zuschauers nur ein technisches System für digitales Fernsehen eingesetzt werden soll. Dies bestätigt auch die Europäische Union in einer begleitenden Presseerklärung zur Entscheidung betreffend Einsatz der d-box. Dabei sind die Beteiligten an der gemeinsamen Absprache - also Kirch, CLT/UFA, Telekom, ARD und ZDF - einhellig der Auffassung, daß die d-box die einzige Technik darstellt, die in Deutschland kurzfristig verfügbar und einsetzbar ist, um digitale Fernsehprogramme und Angebote im Zusammenspiel mit den vorhandenen Endgeräten nutzbar zu machen. Die Europäische Union hat die Partner an dem geplanten Zusammenschluß aufgefordert, zu den von der Europäischen Union aufgeworfenen Fragen ausführlich Stellung zu nehmen. Die Frist ist, wie uns die Veranstalter in einer Anhörung in der sogenannten DVB-Arbeitsgruppe der Landesmedienanstalten dargelegt haben, nochmals verlängert worden. Wir werden in wenigen Tagen weitere Einzelheiten erfahren, wie die Europäische Union mit dieser so entscheidenden Frage für das digitale Fernsehen in Deutschland umgehen wird.

Der Generalintendant des Österreichischen Rundfunks hat mir mit Schreiben vom 9. Dezember 1997 die Gründe für die Rücknahme von ORF1 aus den bayerischen Kabelnetzen dargelegt. Bereits zuvor hatten zwei Termine mit dem Generalintendanten und seinen Mitarbeitern bei mir im Büro stattgefunden. Dabei ging es auch um die Weiterverbreitung von TW1 und die weitere Entwicklung der Hörfunk- und Fernsehlandschaften in Österreich. Im Wesentlichen hat der Generalintendant dabei folgende Gründe für die Rücknahme von ORF1 genannt: Der ORF hat einen gesetzlichen Auftrag zur Versorgung der österreichischen Gebührenzahler. Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich besteht - ähnlich wie in Deutschland - auch in einem umfassenden Fernsehangebot für die Bevölkerung, welches die Teile Information und Bildung ebenso einschließt, wie die Unterhaltung und Übertragung attraktiver Sportereignisse. Als derzeit einzig verbreitetes Fernsehen in Österreich besteht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ein hohes Schutzgut für die umfangreiche Versorgung der Bevölkerung mit entsprechenden österreichischen Programmen. In Österreich selbst ist der ORF als nationaler Anbieter der Konkurrenz durch alle öffentlich-rechtliche, wie privaten nach Österreich einstrahlenden Programme, ausgesetzt. Diese Konkurrenzsituation ist im gesonderten Maße in österreichischen Kabelhaushalten gegeben. Um das Abwandern der österreichischen Zuschauer zu den einstrahlenden Programmen zu verhindern und insoweit die Attraktivität der ORF-Programme für die werbungtreibende Wirtschaft aufrecht zu erhalten, ist der ORF genötigt, so der Generalintendant, besonders publikumswirksame Sendungsangebote aus dem Ausland durch eine vorzeitige oder zumindest gleichzeitige Ausstrahlung derselben in den ORF-Programmen zu begegnen. Wenn der ORF dies nicht tun und nur eine Nachverwertung in Kauf nehmen würde, könnte er exemplarisch an Zuschauern verlieren, was sich in der Werbung mit Mindereinnahmen in beträchtlicher Höhe auswirken würde.

Im Gegensatz zu den privaten, vor allem aus Deutschland einstrahlenden Programmen, darf im ORF die Sendung von Kinospielfilmen und Fernsehfilmen nicht durch Werbung unterbrochen werden. Im Umfeld entsprechender Sendungen ist Werbung im ORF zulässig, auch nach 20.00 Uhr. Die Werbeeinnahmen machen für den ORF etwa 42 % des Gesamtbudgets aus. Diese Werbeeinnahmen werden vor allem im Umfeld von Spielfilmen erzielt. Dies führt bei vorzeitigen bzw. gleichzeitigen Sendungen durch den ORF zu einem Abwandern des Fernsehpublikums in den süddeutschen Kabelanlagen zum ORF und wird von den Konkurrenzsendern nicht gebilligt. Da die deutschen privaten Fernsehveranstalter im Vergleich zum ORF finanzkräftige Rechtenachfrager sind oder selbst die Senderechte für Österreich halten, gehen sie als Reaktion dazu über, die Vergabe von Senderechten hinsichtlich massenattraktiver Produktionen an den ORF für Österreich entweder überhaupt, jedenfalls aber für die vorzeitige oder gleichzeitige Ausstrahlung gegenüber bzw. mit den deutschen Fernsehveranstaltern davon abhängig zu machen bzw. abhängig machen zu lassen, daß ORF1 - in diesem Programm werden u.a. internationale Filmproduktionen, Serien und Sportübertragungen ausgestrahlt - nicht (mehr) in den Kabelanlagen Süddeutschlands weiter verbreitet wird.

Der ORF weist weiter darauf hin, daß er per Schreiben vom 9.12.1997 Verträge mit der deutschen Telekom und der KMS in München, die die gleichzeitige vollständige und unveränderte Weitersendung von ORF1 vertraglich absichern, gekündigt hat. Eine einvernehmliche Beendigung wurde von den Vertragspartnern abgelehnt. Sollten Telekom bzw. KMS ihren Standpunkt nicht ändern, so wird der ORF, dies hat er angekündigt, gerichtlich dagegen vorzugehen haben.

Die BLM hat in diesen Auseinandersetzungen keinen Zweifel daran gelassen, daß sie medienrechtlich den Verbleib von ORF1 im Kabel nicht erzwingen kann, daß sie sich den Verbleib von ORF1 im Kabel durchaus wünsche, es hier aber um eine Auseinandersetzung zwischen dem Programmveranstalter und dem Netzbetreiber geht und der Programmveranstalter selbst entscheiden kann, ob er sein Programm im Kabel verbreiten will. Dies ist doch ein sehr einmaliger Vorgang. In der Regel laufen die Auseinandersetzungen ja immer umgekehrt. Veranstalter wollen ins Kabel und wenn der Rauswurf droht gehen sie gerichtlich gegen solche Entscheidungen vor. Andere wollen die Weiterverbreitung im Kabel erzwingen. Wir hatten noch nie einen Fall, daß jemand im Kabel ist und jetzt unbedingt aus dem Kabel gehen will bzw. gehen muß. Aber ich habe ja eingangs erwähnt, dies hängt mit einer Veränderung der Wettbewerbs- und Marktsituation zusammen und ich denke, da werden noch einige andere grundsätzliche Probleme auf uns zukommen.