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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

16.12.1999 | 12R 21

In den letzten Wochen ist ein Thema im Mittelpunkt der medienpolitischen Diskussion und Berichterstattung gestanden, dass von grundsätzlicher Bedeutung vor allem für die Entwicklung des digitalen Fernsehens und des PayTV`s in Deutschland sein wird. Ich meine die Beteiligung von BSkyB bei KirchPayTV oder anders ausgedrückt, das Zusammengehen von Murdoch mit Kirch bei PREMIERE WORLD.

Zum Sachverhalt: Die britische PayTV-Gruppe BSkyB zahlt für eine 24 % Beteiligung an der Muttergesellschaft von PREMIERE WORLD "KirchPay-TV" 1,9 Milliarden DM in Aktien sowie 1 Milliarde DM in bar an Kirch. KirchPayTV beteiligt sich mit 4,3 Prozent an BSkyB dem PayTV Sender in Großbritannien, dem wir ja vor wenigen Wochen einen Informationsbesuch mit dem Medienrat abgestattet hatten. Diese Beteiligung erfolgt über die schon genannten Aktien. Es sind 78 Millionen neu ausgegebene Aktien, die diese Beteiligungsgröße ausmachen. Es ist die erste Beteiligung der KirchGruppe an einem Fernsehunternehmen in Großbritannien. Zur Bewertung dieses Vorgangs gehört auch, sich noch mal sich in Erinnerung zu rufen, dass die News Corporation von Rupert Murdoch mit 66 % bei tm3 beteiligt ist und mit 49,9 % bei VOX, also an zwei Sendern im analogen Free-TV-Bereich. Wie sich diese neue Zusammenarbeit zwischen Murdoch und Kirch auf die gesamte Medienlandschaf t in Deutschland auswirkt, das ist die entscheidende Frage.

Eines ist durch diese Beteiligung und Kooperation jedenfalls deutlich geworden - die hohen Anfangsinvestitionen in das Pay-TV nunmehr auf digitalem Übertragungsweg, gekennzeichnet vor allem durch das Angebot von PREMIERE WORLD, sind durch ein Unternehmen alleine offensichtlich nicht aufzubringen. Ich möchte daran erinnern, dass ich bereits in meinem Bericht vom 28.5.1998 zur Untersagungsverfügung der EU-Kommission betreffend Zusammenschlussvorhaben Bertelsmann/Kirch/Premiere und Deutsche Telekom/BetaResearch vor allem die Frage aufgeworfen habe, was denn eigentlich die Konsequenz dieser Entscheidung sein wird und welche Wirkungen diese Untersagung auf die Entwicklung des digitalen Abonnement-Fernsehens in Deutschland haben wird. Ich darf einen Satz aus diesem Bericht zitieren "Wir müssen jedenfalls in Deutschland vermeiden, dass wir hier ein Vakuum organisieren, in das dann andere mächtige Unternehmen zum Beispiel aus Amerika hineinwirken und sich die Uns icherheit und die Unentschlossenheit zum Vorteil ihrer Unternehmensstrategien auswirkt."

Die Entwicklung seit Mai 1998 hat gezeigt, dass das Grundproblem immer gleich geblieben ist. Abonnementfernsehen in Deutschland bedarf einer starken unternehmerischen Komponente und einer Zusammenarbeit von starken Unternehmen. Dazu passt auch die Zielvorstellung, wie sie die beiden Unternehmen öffentlich formuliert haben: Tony Ball, Chief Executive von BSkyB, sagt: "Die Beteiligung an der KirchPayTV ist für BSkyB ein bedeutender Schritt in den deutschen Pay-TV-Markt. Wir sehen große Wachstumspotentiale für Abonnentenfernsehen in Deutschland. Der hervorragende Start von PREMIERE WORLD unterstreicht eindrucksvoll diese Einschätzung." und Dr. Dieter Hahn, Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der KirchGruppe und Aufsichtsratmitglied der KirchPayTV formuliert: "Das Investment von BSkyB bestätigt unsere Strategie für die langfristig erfolgreiche Entwicklung des Pay-TV-Marktes. Unsere Beteiligung an BSkyB ist ein we iterer Schritt in der Internationalisierung der KirchGruppe." Dabei ist festzuhalten, dass in den öffentlichen Erklärungen auch deutlich gemacht wurde, dass die unternehmerische Führung bei PREMIERE WORLD unverändert bei der KirchGruppe liegt und dass BSkyB Minderheitsrechte eingeräumt werden.

Noch einen Hinweis zu BSkyB: Sie erinnern sich an den Besuch in London. BSkyB ist 1990 aus der Fusion der beiden Pay-TV-Anbieter "Sky Television" und "British Sky Broadcasting" entstanden. Heute betreibt die BSkyB-Gruppe führende Pay-TV-Dienste in Großbritannien und Irland. Zum 30. September 1999 hatte sie fast 7,9 Millionen Abonnenten. Demgegenüber hat PREMIERE WORLD nunmehr insgesamt über 2,1 Millionen Abonnenten, davon mehr als 1,1 Millionen für das digitale Angebot. Der Rest entfällt auf PREMIERE analog, wobei nach und nach die Abonnenten mit analoger Programmversorgung in digitale Abonnements übergeführt werden.

Das Bündnis zwischen Murdoch und Kirch steht nun bei den Kartell-Behörden zur Prüfung an, unabhängig davon, ob dies letztlich in Brüssel oder in Berlin landet. Dabei werden sicherlich im Einzelnen die Verträge geprüft. Es besteht natürlich auch ein medienrechtlicher Vorbehalt. Bisher sind uns Verträge zur Beratung und Bewertung nicht vorgelegt worden. Mit den aufgeworfenen Konzentrationsfragen müsste sich dann die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) befassen.

In diesem Stadium ist es sehr schwierig zu bewerten, was denn diese Kooperation ganz konkret für die Entwicklung in der deutschen Medienlandschaft bedeutet. Klar ist zunächst, dass damit eine Stabilisierung des Abonnementfernsehens in Deutschland, schwerpunktmäßig getragen von PREMIERE WORLD mit Sitz im Großraum München, verbunden ist. Klar ist dabei auch, dass der Markt für Abonnementfernsehen ein sicher noch langfristig bestehender ergänzender Markt zum Free-TV bleiben wird, unabhängig davon mit welcher Geschwindigkeit und zu welchem Zeitpunkt die analogen Verbreitungswege durch digitale Verbreitungswege ersetzt werden. Die neuesten Entscheidungen der Medienpolitik im 4. RÄndStV werden dazu führen, dass auch im digitalen Markt der öffentlich-rechtliche Rundfunk wie schon heute in der analogen Verbreitung auch eine ganz entscheidende Rolle spielen wird. Sie erinnern sich, aus heutiger technischer Beurteilung heraus werden bis zu 24 öffentlich-rechtliche Digitalangebote gewährleistet mit einer Ersetzungsbefugnis, wenn bestimmte Angebote verändert werden sollen. Die Vielfalt im Free-TV ist in Deutschland trotz sich entwickelnder Konzentrationsprozesse im internationalen Vergleich durchaus positiv zu sehen.

Bei einer Bewertung des Gesichtspunktes der Vielfalt muss immer stärker beachtet werden, dass wir uns in einer immer mehr international laufenden Entwicklung befinden und dass im deutschen Markt immer mehr Programme verfügbar werden, die von Unternehmen aus anderen Ländern veranstaltet werden. Jeder von uns erlebt ja jeden Tag schon heute die Vielzahl der Angebote, wenn er über Satellit und Kabel fernsieht. Die Frage wird sich daher im Besonderen darauf konzentrieren, ob und in welcher Form sich die neue Kooperation auf den deutschen Fernsehmarkt im sogenannten Free-TV auswirkt. So wie es zurzeit aussieht, werden die Auswirkungen zwar spürbar werden zum Beispiel bei der Frage, welche Programmrechte und Sportveranstaltungen in welchem System stattfinden. Möglicherweise gibt es Auswirkungen auf die Kooperation zwischen Kloiber und Murdoch bei tm3 und es stellen sich Fragen bei der Zusammenarbeit zwischen Murdoch und Bertelsmann bei VOX. Wir haben ja den Ein stieg von Murdoch bei tm3 deshalb auch begrüßt, weil sich damit ein verstärkter Wettbewerb im freien Fernsehen abzeichnete. Es bleibt im Ergebnis festzustellen, dass jedenfalls grundsätzliche Veränderungen im Sinne einer problematischen Verkürzung von Vielfalt in der deutschen Medienlandschaft nicht zu erwarten sind, auch wenn es im Einzelfall Problemlagen geben kann. Und ich verhehle nicht, dass ich mir für den Bereich des Free-TV eine Fortsetzung und Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Murdoch und tele-münchen Dr. Kloiber wünschen würde. Doch dies sind unternehmerische Entscheidungen über die wir letztlich nicht zu befinden haben. Entscheidend ist , dass es sich bei der Beteiligung von BSkyB um eine Minderheitenbeteiligung an Kirch-Pay-TV handelt, mit 24,9 % wobei man sich sicherlich die Minderheitenrechte noch einmal etwas genauer anschauen wird.

Und ganz entscheidend ist - wenn ich das zum Schluss hier sagen darf - durch diese Kooperation im Abonnement-Fernsehen ist der Standort Bayern weiter gestärkt, als der zentrale Standort vom digitalen Pay-TV und digitalem Fernsehen in Deutschland und über Deutschland hinaus. Die positiven Folgewirkungen des Engagements der KirchGruppe bis heute und zukünftig in Kooperation mit Murdoch auf die medienpolitischen, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Chancen des Medienmarktes im Großraum München und in Bayern sind erheblich. Wir können ja heute schon feststellen, dass alle wesentlichen Medienunternehmen auch solche die international tätig sind in irgendeiner Weise mit dem Standort Bayern verbunden sind. Die Signalwirkung für innovative neue Entwicklungen ist gewaltig. Und das kreative Potential, das im Großraum München vorhanden ist, wird sich weiter verstärken, um den Anforderungen dieser neuen Entwicklung Rechnung zu tragen. BR>
Und noch ein Hinweis: Die Medienpolitik hat im neuen § 53 Rundfunkstaatsvertrag unter dem Stichwort Zugangsfreiheit Vorkehrungen getroffen, die Monopolisierungen bei der Nutzung technischer Plattformen für neue innovative digitale Fernsehdienste verhindern sollen. Die Landesmedienanstalten sind gerade dabei, die in § 53 vorgeschriebenen übereinstimmenden Satzungen der Landesmedienanstalten zu erarbeiten. Das Ziel für diese Satzungsregelung steht im Abs. 7 des § 53, ich zitiere "Die Regelungen der Satzungen müssen geeignet und erforderlich sein für alle Veranstalter, chancengleiche, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen für technische Dienste zu gewährleisten und die Offenlegung technischer Parameter und Entgelt zu sichern." Der Gesetzgeber hat damit den Landesmedienanstalten ein Instrumentarium an die Hand gegeben, um über diesen Weg dafür zu sorgen, dass auch im digitalen Fernsehen bei Nutzung der techn ischen Plattformen kleinere Unternehmen und zusätzliche interessante Spartenangebote eine Chance haben sollen. Wir dürfen gespannt sein, wie in der Zukunft diese Zielvorstellung umgesetzt werden kann und ob die steuernden Möglichkeiten durch die Landesmedienanstalten ausreichen werden, eine digitale Medienlandschaft mitzugestalten, die auch zukünftig dem Erfordernis der Vielfalt entspricht.