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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

01.06.2006 | 2 2006
In der 40. Sitzung des Medienrats am 06.04.2006 vor der Neukonstituierung habe ich über die dramatischen Veränderungsprozesse im Medienbereich berichtet, die besonders bei der Vergabe der Bundesliga-Rechte durch die deutsche Fußball-Liga deutlich werden. Insbesondere die Aufspaltung der Rechte im Hinblick auf unterschiedliche Übertragungswege machen den Veränderungsprozess immer klarer. Ich darf kurz an einige Fakten erinnern:
 
-                     Arena als neuer Rechteinhaber für die Fußballbundesliga, ein Tochterunternehmen eines Netzbetreibers mit einer inzwischen erteilten Rundfunklizenz
-                     240 Mio. Euro pro Jahr für die Pay-TV Rechte; mit Marketingkosten für einen Zeitraum von 3 Jahren sind das etwa 1 Mrd. Euro.
-                     Arena tritt an die Stelle von Premiere, was die klassischen Pay-TV Rechte anbetrifft und ist neuer Wettbewerber.
 
In der Zwischenzeit tritt der neue Fernsehstandard, das so genannte IPTV, in der öffentlichen Diskussion immer mehr in den Vordergrund. IPTV ist ein internetprotokollbasierter neuer Standard, der für alle Übertragungswege geeignet ist, also sowohl über die Telefonnetze, wie auch über Kabel und Satellit. Diese IPTV-Rechte für die Bundesliga hat die Telekom/T-Online für 40 Mio. Euro pro Jahr bei einer Laufzeit von 3 Jahren von der Fußball-Liga erworben. Für den Zuschauer stellt sich das so dar, dass er am Fernsehbildschirm und auf diesem Übertragungswege in optimaler Qualität die Fußballspiele ansehen kann, aber natürlich auch andere Programme. Premiere und die Telekom/T-Online haben sich darauf verständigt, IPTV über das Telefonfestnetz auszustrahlen, „Internet-Fernsehen IPTV“ so nennen das die Partner Premiere und Telekom. Die Vereinbarung läuft auch für drei Spielzeiten und es werden 612 Begegnungen pro Saison aus der ersten und zweiten Bundesliga live gezeigt. Bis dahin sind allerdings noch eine Reihe von technischen Hürden zu überwinden, insbesondere bedarf auch dieser neue Weg über das Internet einer zusätzlichen technischen Einrichtung beim Verbraucher, einer Set-Topbox (Media-Receiver).
 
Ein solcher Media-Receiver soll in der zweiten Jahreshälfte Marktreife erlangen. Es gibt entsprechende Produkte. Äußerst streitig ist nach wie vor die Frage, ob Premiere den neuen Fernsehstandard auch über Kabel und Satellit verbreiten kann und damit natürlich in ganz unmittelbarer Konkurrenz zu Arena steht. Über diese Frage wird heftig diskutiert. Eine endgültige Lösung liegt bis heute nicht vor. Es geht dabei vor allem um die Frage, ob die deutsche Fußball-Liga zweimal die Pay-TV-Rechte verkauft hat und dann noch mit so unterschiedlichen Rechtekosten.
Die Presseerklärung über die Kooperation beim Internet-Fernsehen von Premiere und die begleitenden öffentlichen Äußerungen auf Kongressen zeigen die Schärfe der Auseinandersetzung. Arena wirft Premiere Irreführung der Verbraucher vor und umgekehrt ist bis heute noch unklar, wann und unter welchen Bedingungen die Fußball-Bundesliga im Kabelnetz der Kabel Deutschland verbreitet wird. Bisher ist die Übertragung nur in Nordrhein Westfalen und Hessen im Kabel gesichert. Bemerkenswert ist auch, dass in der Kooperation zwischen Premiere und Telekom vorgesehen ist, dass das Premiere Gesamtprogramm ab Sommer als IPTV-Angebot auf der Plattform T-Home von T-Online zu sehen sein wird. Premiere kann mit allen Programmen künftig auch über dieses Netz empfangen werden.
 
Für die Programme von Premiere, auch die Übertragung der Bundesliga, hat Premiere eine Genehmigung der BLM. Das Programmangebot ändert sich nur unwesentlich, so dass wir davon ausgehen, dass eine neue Genehmigung nicht erteilt werden muss. Wir werden im Einzelnen in den Ausschüssen darüber berichten. Die Rolle der deutschen Telekom ist nach der Vereinbarung mit Premiere eine Dienstleistungsfunktion. Entscheidend ist, dass die redaktionelle Gestaltung und die medienrechtliche Verantwortung über die Inhalte, die über die Telekomnetze ausgestrahlt werden, bei Premiere liegen. Insofern stellt sich die Frage einer Verbindung von Netz und Nutzung anders dar als bei Arena. Arena ist ja wie Sie wissen, ein Tochterunternehmen des Kabelnetzbetreibers Unity und hat gleichzeitig eine Rundfunklizenz. Ich kann das hier nur kurz ansprechen. Wir werden mit solchen Fragen zukünftig verstärkt zu tun haben.
 
So bin ich bei meinem zweiten Berichtsthema, nämlich beim so genannten Mobilen Fernsehen. Gestern war in Stuttgart eine Pressekonferenz, auf der wurde das neue mobile Fernsehangebot von MFD (Mobiles Fernsehen Deutschland) vorgestellt. MFD hat eine Genehmigung des Medienrats der BLM und aller anderen Landesmedienanstalten (nur Schleswig Holstein hat noch keine Entscheidung getroffen) und wurde auf der Grundlage eines bundesweiten Abstimmungsprozesses in einem ordnungsgemäßen Ausschreibungsverfahren ausgewählt. Das interessante an der Pressekonferenz gestern war die starke Stellung, die debitel, ein Serviceprovider und Mobilfunkunternehmen hier einnimmt. Debitel ist Dienstleister für MFD. Die medienrechtliche Verantwortung, das haben wir auch im abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbart, liegt für dieses Angebot bei MFD. Aber es wird sehr deutlich, welch starke Rolle solche Unternehmen wie debitel im Zusammenhang mit der Einführung von Handy-TV spielen. Auch hier gibt es eine neue Verbindung zwischen Inhalte-Anbietern, Plattform-Betreibern und Dienstleistern aus dem Mobilfunkbereich. Am 7. Juni 2006 wird in München eine Pressekonferenz stattfinden, bei der wir den Start unseres Projekts „MI FRIENDS“ zusammen mit dem koreanischen Informationsminister vorstellen werden. Auch in Stuttgart war Korea unverzichtbar, weil MFD mit debitel Endgeräte des koreanischen Unternehmens Samsung einsetzt. Für unser Projekt werden Endgeräte des koreanischen Unternehmens LG eingesetzt.
 
Vorgestern fand eine Pressekonferenz in Berlin statt, in der der Standard DVB-H, ebenfalls ein Standard der mobiles Fernsehen übertragen kann, im Rahmen eines technischen Versuchsprojektes vorgestellt wurde. Wie Sie vielleicht wissen, basiert DMB auf der digitalen Hörfunktechnik DAB und DVB-H auf der digitalen Fernsehtechnik DVB-T. In vier Städten wird wiederum parallel zur Fußballweltmeisterschaft über höchstens 1000 Geräte und befristet auf zwei Monate, DVB-H eingesetzt. Die vier Städte sind Hamburg, Berlin, Hannover und  München. Auch hier war deutlich erkennbar, welch herausragende Rolle die Mobilfunkunternehmen spielen.
 
Es haben sich die vier großen deutschen Mobilfunkunternehmen zusammengetan, das sind:
-                     O2 (Germany) GmbH & Co. OHG
-                     T-Mobil Deutschland GmbH
-                     Vodafone D2 GmbH
-                     E-Plus Mobilfunk GmbH & Co.KG
und diesen Showcase vorbereitet. Wir haben darauf geachtet, dass der auf zwei Monate befristete Versuch den medienrechtlichen Grundlagen entspricht und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abgeschlossen, der die Bedingungen festgelegt.
 
In München und Regensburg – also in unserem Projekt „MI FRIENDS“ - werden bereits bis zu 10 Videoströme über DMB stattfinden. In der Pressekonferenz in Stuttgart bin ich energisch der Vorstellung entgegengetreten, die immer noch existiert, bei DVB-H seien eine Vielzahl von Programmen verfügbar und DMB habe nur 4 Übertragungsmöglichkeiten. Mittelfristig  sind auch bei DMB bis zu 30 Kanäle möglich und kurzfristig bis zu 10. Die neuen Dimensionen sind anhand der geschilderten Fakten deutlich spürbar: Neue Wettbewerber und neue medienrechtliche Fragestellungen. Es geht insbesondere darum, ob zukünftig der Vorrang des Rundfunks Deutschland und in Europa gesichert ist oder ob die Entwicklung ausschließlich nach Marktgesichtspunkten stattfindet.
 
Ich habe Ihnen heute im Bericht einige wesentliche medienpolitische technische und rechtliche Veränderungsprozesse kurz dargestellt. Wir wollen auf unserer Infoveranstaltung am 22.06.2006 dort diese Fragen vertiefen und Sie auch weiter über die dramatischen Veränderungsprozesse im Bereich der elektronischen Medien informieren.