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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Vorsitzenden

07.02.2008 | 17 2008
Wenn demnächst Günther Jauch in seiner Ratesendung die Frage stellen würde - Von wem stammt der Satz: „Du wirst Dein ganzes Leben lang ein scheißerfolgloser Friseur bleiben“? -, wenn Jauch das täte (und er tut es gewiss nicht), dann würde sicherlich jeder seiner Kandidaten sofort auf Dieter Bohlen tippen. Anders ausgedrückt: Der Mann hat ein fatales Gossenimage und dieser Ruf scheint ihm auch nichts auszumachen, denn als dreister Sprücheklopfer bedient er die Erwartungen seines Publikums und verdient damit sein Geld. Nichts ist ihm dabei zu billig, nichts ist ihm zu schäbig. Was in „Deutschland sucht den Superstar“ vermeintlich „live“ geschieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als inszenierte Infamie, die selbst vor der Zote als Mittel zur Quotensteigerung nicht zurückschreckt. Da wird ein Mädchen, das unvorteilhaft gekleidet ist, mit einem Kartoffelsack verglichen, und einem anderen Mädchen, das eine zittrige Stimme hat und die Tonhöhe nicht halten kann, wird das vernichtende Urteil ausgestellt, es singe wie ein Schaf, das an einen Elektrozaun pinkelt.
 
Nun könnte man es hier mit Norbert Bolz halten, der gestern in einem Interview, das die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte, die Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ anhand ihrer spezifischen Bedingungen exkulpierte. Er sprach dabei herablassend vom „Fetisch Menschenwürde“ und fügte erklärend hinzu, der Verzicht auf Menschenwürde sei gewissermaßen die Voraussetzung für solche Formate und die Eintrittskarte für den, der an ihnen mitwirken will. Wahrscheinlich stimmt das sogar, aber lässt sich die Menschenwürde so einfach zu Markte tragen, als Ware betrachten und höchstbietend verschachern? Früher wurden die Menschen auf öffentlichen Plätzen hingerichtet, heute werden sie von manchen Medien unblutig, aber kaum weniger grausam exekutiert. In der gleichen Nummer der Süddeutschen Zeitung, auf der gleichen Seite, hat Rainer Erlinger das, was hier geschieht, ungleich präziser und verantwortungsbewusster als Norbert Bolz analysiert. Er wies insbesondere auf die Scheinheiligkeit hin, mit der der Deal zwischen dem Sender und den durchwegs jungen Kandidaten eingefädelt wird. Der Köder dafür ist das unmoralische Angebot, dass einer von ihnen zum Superstar aufsteigen kann. In Wirklichkeit jedoch geben die jungen Leute damit gleichzeitig die Einwilligung, als Schlachtopfer vorgeführt zu werden. Die Träumer ohne Selbstbewusstsein und Selbstkritik, die Dicken und die Unbeholfenen, die Naiven und die pubertär Überspannten laufen dann in das Messer einer gnadenlosen Jury.
 
Ein großer Teil des Erfolges von „Deutschland sucht den Superstar“ beruht auf der medienwirksam inszenierten öffentlichen Beschimpfung. Es verwundert dabei nicht, dass die Kandidaten anscheinend immer öfter auf dem gleichen Niveau zurückpöbeln. Das wird ihnen ja drastisch genug vorgemacht. Im Jugendmedienschutz reagieren wir zu Recht empfindlich auf gewalthaltige Sendungen. Manchmal noch schlimmer als körperliche Gewalt wirkt sich jedoch die geistige, die sprachliche Gewalt aus. Gewiss,  sie ist schwerer zu fassen als die körperliche, bei „Deutschland sucht den Superstar“ aber tritt sie für jeden offen zu Tage, wenn junge Menschen verbal niedergemacht und zynisch dem Spott preisgegeben werden. Erst kürzlich hat ein 17jähriger vor laufenden Kameras hyperventiliert. RTL zeigte keine Scheu, auch diese entlarvende und entwürdigende Szene im Programm zu wiederholen. Einen Schuldigen dafür machte der Sender auch gleich aus, nämlich den Vater, der den Sohn in seinen Ambitionen bestärkt und zum Casting begleitet hat. Das ist mehr als unverfroren, denn hier schreit ausgerechnet der Dieb: „Haltet den Dieb.“
 
Es bleibt die Frage, warum sich RTL, das lange genug unter dem Anfangsruf eines „Tittensenders“ zu leiden hatte, wieder so ungeniert auf die schiefe Programmebene begibt. Und es bleibt die Hoffnung, dass das erneute Prüfverfahren der Kommission für Jugendmedienschutz zu einer deutlich negativen Beurteilung der Sendung führt. Im Prüfverfahren des Vorjahres war eine Vorlage des Formates bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen angemahnt worden. Das ist, wie ich einer Pressemitteilung der Kommission entnehme, offenbar nicht geschehen und lässt auf eine erhebliche Unempfindlichkeit und Sorglosigkeit der Beteiligten schließen. Ich bitte die Mitglieder des Medienrates mir nachzusehen, wenn mein heutiger Bericht vielleicht zu sehr vom Zorn diktiert war. Die geschilderten Szenen stehen jedenfalls für viele andere und manche davon entziehen sich auch einer Bewertung im Jugendmedienschutz. Da wird ein junger Mann auf dem Friedhof interviewt. Sein Vater war während des Castings gestorben und jetzt gibt er Antwort auf neugierige Fragen, die ihm sichtlich zusetzen. Das zutiefst Private mutiert hier zur öffentlichen Verletzung des Anstandes. Solche scheinbar altmodischen Worte wie Anstand aber kommen vermutlich im Vokabular der Macher von „Deutschland sucht den Superstar“ gar nicht erst vor.