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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

10.12.2009 | 33 2009

Am Montag vergangener Woche wurde die von acht Landesmedienanstalten in Auftrag gegebene Untersuchung „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland“ im Rahmen einer Tagung öffentlich präsentiert. Die Ergebnisse wurden in einem gemeinsamen Workshop der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in Düsseldorf vorgestellt. Das Projekt wurde zum 8. Mal durchgeführt, ursprünglich als Gemeinschaftsprojekt aller Landesmedienanstalten von 1996 bis 2004 und seit 2005 von 8 der 14 Landesmedienanstalten. Der Bericht basiert wie seine Vorgänger zum einen auf einer Primärdatenerhebung bei sämtlichen deutschen Rundfunkveranstaltern. Zusätzlich wurde eine Sekundäranalyse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstrukturen durchgeführt, die sich auf Daten der ARD– und ZDF-Jahrbücher bezieht und um Angaben der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, der Koordinierungsstelle des ARD-Jahrbuchs beim Bayerischen Rundfunk sowie aus dem Haushaltsplan des ZDF ergänzt wurde. Er liefert ein umfassendes Gesamtbild über die Entwicklung der Struktur in der deutschen Rundfunklandschaft. Für die Befragung, Durchführung und Auswertung der Untersuchung waren TNS-Infratest, Media-Research und die Goldmedia GmbH verantwortlich. Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum von Mai bis August 2009. Die freiwillige Befragung hatte einen hohen Rücklauf von insgesamt über 87 % im privaten Fernsehen und über 93 % im privaten Hörfunk. Dies zeigt das hohe Interesse der Rundfunkveranstalter an dieser Erhebung. Die Zusammenfassung der Studie und eine Übersicht von Goldmedia finden Sie heute in Ihrer Tischvorlage.

Aus der Fülle des umfangreichen Datenmaterials möchte ich einige wesentliche Punkte herausgreifen. Noch deutlicher als in den Vorläuferberichten kommt Bayern im Standortvergleich ganz besonders gut weg. Beim privaten Fernsehen erzielen die Anbieter in Bayern und Nordrhein-Westfalen zusammen 83 % des Gesamtumsatzes 2008. In Bayern wird ein Umsatz von rund 2,8 Mrd. Euro erzielt, das sind 46,5 % des Gesamtumsatzes. Nordrhein-Westfalen folgt an zweiter Stelle mit 36,4 % des Gesamtumsatzes. Mit weitem Abstand folgen dann Berlin/Brandenburg mit zusammen 14,5 %, Hamburg und Schleswig-Holstein mit 1,1 % und Baden-Württemberg mit 0,3 %. Betrachtet man die Radioumsätze 2008, so steht Bayern wiederum an erster Stelle mit 21 %, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 16 % und von Baden-Württemberg mit 12 %. Von allen Beschäftigten im privaten Fernsehen arbeiten 60 % in Bayern oder in Nordrhein-Westfalen. Dabei hat Bayern einen Anteil von 40 % und Nordrhein-Westfalen von 20 % (ohne die Beschäftigten in den Teleshoppingunternehmen). Rechnet man Teleshopping dazu, dann sind Bayern und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 32 % der Beschäftigten gleich auf. In der Studie wurden auch die Erwartungen für die weitere Zukunft abgefragt. Die Mehrzahl der Unternehmen rechnet nach deutlichen Umsatzeinbußen bei den Werbeeinnahmen für 2009 – im Schnitt 11 % beim Fernsehen und 9 % beim privaten Hörfunk – erst im Jahre 2011 mit einem Ende der Werbekrise. 2010 wird ein schwieriges Jahr bleiben.

Schaut man sich die gesamten Zahlen genauer an, wird eines ganz deutlich: Bayern ist was den Umsatz anbetrifft, im Hörfunk und im Fernsehen führend und das gilt auch für die Beschäftigtenzahl. Besonders bemerkenswert ist, dass wir in den wesentlichen Bereichen auch vor Nordrhein-Westfalen liegen. Mit weitem Abstand folgen alle übrigen Länder. Dies ist das Ergebnis einer zielorientierten Medienpolitik der Bayerischen Staatsregierung und des Bayerischen Landtages sowie der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Wir haben mit unserer Ordnungspolitik wesentliche Grundlagen für den Erfolg der bayerischen Medienpolitik gelegt. Dies gilt im Besonderen auch für die vielfältigen Aufgaben, die uns der Gesetzgeber aufgetragen hat und die wir im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Mittel offensichtlich mit Erfolg umgesetzt haben. Dazu gehört, um nur ein Beispiel zu nennen, die Förderung von Aus- und Fortbildung im Medienbereich. Die dadurch am Standort verfügbaren qualifizierten Mitarbeiter sind ein wesentlicher Standortvorteil.

Ich mache dies deshalb nochmals so deutlich, weil wir zurzeit wieder einmal in einer schwierigen Diskussion über unsere finanzielle Ausstattung stehen und wir beim Tagesordnungspunkt Wirtschaftsplan 2010 sehen werden, dass wir zukünftig mit erheblichen Problemlagen bei der Finanzierung unserer Aufgaben rechnen müssen. Ich möchte deshalb deutlich davor warnen, den Erfolg bayerischer Medienpolitik, zu dem wir einen maßgeblichen Anteil beigetragen haben, dadurch zu verspielen, dass man die dafür notwendigen finanziellen Voraussetzungen in Frage stellt oder, wie das jetzt durch den Gesetzgeber jüngst geschehen ist, einseitig eine einzelne Aufgabe wirtschaftlich in den Vordergrund rückt, ohne die Konsequenzen auf die übrigen Aufgaben der Landeszentrale überhaupt nur im Auge zu haben oder zu diskutieren. Dabei muss auch Maßstab für die zukünftige Medienpolitik die Sicherung von Qualität und Vielfalt sein. Ohne ausreichende wirtschaftliche Grundlagen sind beide Ziele in unserer Medienlandschaft nicht zu erreichen.

Die Wirtschaftskrise hat eines deutlich gemacht und das haben wir in einem gemeinsamen Papier der Landesmedienanstalten in diesen Tagen auch öffentlich dargelegt: Die Weichen im dualen System sind teilweise falsch gestellt. Sie befördern die umfangreichen Betätigungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer nahezu unbegrenzten Expansion auf der einen Seite und erschweren Qualität und Vielfalt im privaten Rundfunk auf der anderen Seite. So haben wir in der Gemeinschaft der Landesmedienanstalten wieder einmal nachdrücklich gefordert, Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen und damit die wirtschaftlichen Chancen für den privaten Rundfunk zu verbessern. Da reicht sicher nicht, dass man sich in der Politik darauf verständigt hat, im Jahre 2013 Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzuschränken, parallel zu den Grenzen für die Werbung, also kein Sponsoring nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen. Das reicht vor allem deshalb nicht, weil es eine wesentliche Ausnahme von hohem wirtschaftlichen Wert gibt, nämlich die, dass diese Begrenzung für Sponsoring bei Sportangeboten nicht gelten soll. Also nur kleine Korrekturen, wo der große Wurf notwendig wäre.

Zu Recht führen wir hier im Medienrat immer wieder eine Diskussion über Qualität des privaten Rundfunks insgesamt und setzen uns mit Problemlagen wie Jugendschutz, Einhaltung von Programmgrundsätzen, Werbe- und Gewinnspielregeln auseinander. Wir nehmen unsere Aufsichtsverantwortung sehr ernst und setzen um, was der Gesetzgeber uns an Regelungen aufgetragen hat. Gleichzeitig fordern wir die gesellschaftliche Verantwortung der privaten Rundfunkunternehmen ein und weisen deutlich darauf hin, dass die Medienangebote des privaten Rundfunks besonderen verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Erfordernissen unterliegen. Dazu gehören die Vielfalt des Angebots und die damit verbundene Qualität. Deshalb löst heftige Kritik aus, was offensichtlich bei ProSiebenSat.1 an inhaltlichen Veränderungen geplant ist. Ich verweise auf die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Nachrichtenkanal N24. Wir können nicht oft genug die Notwendigkeit sorgfältig recherchierter und seriös präsentierter Nachrichten im Privatfernsehen betonen.

N24 ist so organisiert, dass dort, über das eigentliche Angebot N24 hinaus, die Nachrichtenzulieferung für die gesamte ProSiebenSat.1-Gruppe stattfindet. Mitten in einer Zeit, in der N24 im Markt immerhin mit einem durchschnittlichen Markanteil von 1,3 % zulegt und damit das beste Halbjahresergebnis seiner Geschichte feiern kann, wird über den Abbau und die prinzipielle Änderung des Nachrichtenkanals diskutiert. Die Einsparüberlegungen scheinen sehr konkret und werden natürlich durch die Wirtschaftskrise noch dringender. Allerdings muss man feststellen, dass die wirtschaftlichen Problemlagen bei ProSiebenSat.1 sicherlich nicht nur mit der Wirtschaftskrise zu tun haben, sondern auch mit der Unternehmensstruktur und den Entscheidungsprozessen der vergangenen Jahre. Sie erinnern sich vielleicht, dass die Eigentümer - es sind Finanzinvestoren - aus dem Unternehmen erhebliche Mittel gezogen haben. Bemerkenswert ist, dass im Unterschied zu ProSiebenSat.1 die RTL-Gruppe die Notwendigkeit, den Nachrichtenkanal n-tv weiter zu betreiben, nachdrücklich unterstrichen hat. Das Problem der Infragestellung von N24 liegt vor allem darin, dass die dort produzierten Nachrichten Informationslieferant Nummer 1 bei vielen jungen Zuschauern sind. Hier besteht eine ganz besondere medienpolitische und gesellschaftliche Verantwortung. Fordert man eine solche Verantwortung ein, so müssen allerdings die Bedingungen für den privaten Rundfunk deutlich verbessert werden. Ich habe die Notwendigkeit eines Werbe- und Sponsoringverbots beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits erwähnt. Wir wissen, dass N24 als Programmangebot im Markt nicht wirtschaftlich erfolgreich arbeiten kann, sondern erhebliche Verluste produziert. Aber N24 ist Teil einer Programmfamilie, die durchaus erfolgreiche Programmangebote beinhaltet.

Die medienpolitische Diskussion zu den Veränderungsplänen bei N24 reißt nicht ab. Das begrüße ich ausdrücklich. Die Steuerungsmöglichkeiten über die Medienaufsicht sind dagegen sehr begrenzt. Die BLM hat N24 als Spartenprogramm Information genehmigt und nicht als Nachrichtenspartenprogramm. Was unter Information zu verstehen ist, ist im Rundfunkstaatsvertrag definiert. Dazu gehören: Ich zitiere „Insbesondere Nachrichten und Zeitgeschehen, politische Information, Wirtschaft, Auslandsberichte, Religiöses, Sport, Regionales, Gesellschaftliches, Services und Zeitgeschichtliches“. Sie sehen also, Informationsprogramme beinhalten wesentlich mehr als nur Nachrichten. Rein medienrechtlich gesehen, besteht ein breiter Spielraum für den Sender. Gerade wegen der begrenzten Steuerungsmöglichkeit durch die BLM ist es dringend notwendig, die Unternehmen bei ihrer Verantwortung abzuholen und deutlich zu machen, dass solche Veränderungsprozesse weder im gesellschaftlichen Interesse liegen, noch im Interesse des privaten Rundfunks insgesamt.

Herr Gebrande und ich hatten ein Gespräch mit Herrn Ebeling und weiteren leitenden Mitarbeitern der ProSiebenSat.1 Media AG und dabei im Einzelnen kritisch nachgefragt, was denn die aktuellen Überlegungen im Hinblick auf N24 sind. Im Nachgang dazu erreichte mich gestern ein Schreiben von ProSiebenSat.1, unterschrieben vom Vorstandsvorsitzenden Thomas Ebeling und vom Vorstand German Free TV Andreas Bartl. In diesem Schreiben wird dargelegt, was nicht zur Debatte steht:

- eine Abkehr von der publizistischen Relevanz
- eine Änderung des Vollprogrammstatus von ProSieben, Sat.1 und Kabel 1 und ebenso
- ein Verzicht auf Nachrichten und Informationsformate 
oder eine Abkehr von den gesetzlichen Sendeverpflichtungen (Regionalfenster und Drittsendezeiten) bei Sat.1.

Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass das aktuelle wie auch das zukünftige wirtschaftliche Umfeld in Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber mehr als 5.000 Mitarbeitern eine Überprüfung aller möglichen Kosten- und Effizienzoptimierungspotentiale notwendig macht. Dabei wird auf zusätzliche Herausforderungen und im Besonderen auch auf den – ich zitiere - „asymmetrischen Wettbewerb mit den öffentlich-rechtliche Sendern“ hingewiesen. Die Einsparszenarien werden dargestellt. Noch sei aber keine Entscheidung im Vorstand getroffen. Diese werde frühestens im ersten Quartal 2010 fallen. Zu den Optionen gehört auch der Verkauf an einen strategischen Investor und die auch in den Medien erwähnte inhaltliche Umpositionierung oder eine Reformatierung des Nachrichtensenders N24. Die beiden Unterzeichner betonen allerdings deutlich, dass bei allen in Erwägung gezogenen Szenarien der Erhalt der Nachrichtenformate auf Sat.1, ProSieben und Kabel1 sichergestellt bleibt – es gehe nur um strukturelle Einsparpotentiale. Das Schreiben enthält auch den Hinweis darauf, dass die möglichen Einsparungen zum größten Teil dazu dienen, in nationale Produktionen zu investieren, um eine langfristige Absicherung im deutschen Markt zu erreichen. Nimmt man diese Aussage und eine Reihe weiterer öffentlicher Aussagen von Herrn Ebeling, so wird allerdings doch deutlich, dass der hohe Stellenwert eines privaten Nachrichtensenders vom Unternehmen nicht prinzipiell anerkannt wird. Alle Optionen laufen offensichtlich darauf hinaus, den eigenständigen kostenintensiven und qualitätvermittelnden Nachrichtenkanal prinzipiell zu verändern. Dies muss unsere Kritik finden, auch wenn zugleich ein genereller Verzicht auf Nachrichten und Informationsformate in der Senderfamilie nicht das Ziel der Umstrukturierung sein soll.