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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

29.07.2010 | 38 2010

„Es ist vollbracht. Die Gremien von ARD und ZDF haben Telemedienkonzepte und Gutachten gewälzt, haben geprüft, hier und da auf Änderungen bestanden und schließlich für gut befunden. Man mag sich die Tonnen von Papier, die im Namen des bürokratischen Monsters Drei-Stufen-Test beschrieben und bedruckt wurden, lieber nicht vorstellen.“ So formuliert es der Evangelische Pressedienst (epd) in seiner aktuellen Ausgabe. 

Über ein Jahr lang haben die Gremien Unterlagen gesichtet, eine Vielzahl von Sitzungen abgehalten, eine Vielzahl von Gutachten in Auftrag gegeben, teure Berater beschäftigt, zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, um die Telemedienkonzepte, die den Drei-Stufen-Test zu durchlaufen haben, zu prüfen. Insgesamt wurden 37 Telemedienkonzepte begutachtet. Das ganze Verfahren hat zweistellige Millionenbeträge aus der Rundfunkgebühr gekostet. Niemand ist mit dem Ergebnis zufrieden, im Gegenteil, die Auseinandersetzungen werden heftiger - vor allem zwischen den Printmedien und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So hat Hubert Burda in diesen Tagen formuliert „es sei skandalös, dass die Gremien das Verbot sendungsunabhängiger Onlinepresse komplett ignorieren“. Er sprach von hunderten pressemässiger Artikel in den ARD-Online-Angeboten und rief die Rechtsaufsicht und nötigenfalls die Gerichte auf, „den Anschein legaler Onlinepresse bei der ARD“ zu beseitigen. Auch der VPRT kritisiert die Ergebnisse heftig und es steht zu befürchten, dass wiederum der Weg zur Europäischen Kommission beschritten wird. Das heißt dann, dass erneut die medienpolitischen Entscheidungen nicht in Deutschland, sondern in Europa fallen. Eine besonders heftige Reaktion hat auch die Tatsache ausgelöst, dass die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD ein Gutachten beim ehemaligen Verfassungsrichter, Hans-Jürgen Papier, in Auftrag gegeben hat. Darin kommt Herr Papier zu dem Schluss, „dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Grundversorgungsaufgabe mit den im Internet üblichen Mitteln erfüllen“. Dies führt dann dazu, dass der im Staatsvertrag enthaltene Begriff der Presseähnlichkeit, der sicherstellen soll, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet nicht die Entwicklungschancen der Printmedien unterläuft, dass dieser Begriff vom Gutachter mit Hinweis auf den Grundversorgungsauftrag der Anstalten im Internet einschränkend auslegt wird.

Im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Internet verboten, sogenannte „nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote“ aufzunehmen. Zwei Aussagen des Gutachtens provozieren also in besonderer Weise die privaten Medienvertreter. Die Aussage, das Internetangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehöre zum Kern des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrages, und die einschränkende Interpretation des Begriffs der Presseähnlichkeit.

Eine Zeitung wie etwa die FAZ spricht im Hinblick auf diese Grundproblematik von einem totalen Machtanspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, was wiederum zu einem kontroversen Briefwechsel zwischen dem ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust und dem FAZ Herausgeber Frank Schirrmacher geführt hat. Zusätzlich gießt der Vorsitzende der GVK, Herr Lenze, Vorsitzende des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks, Öl ins Feuer, wenn er nach einem Bericht der FAZ die Konkurrenzangebote im Internet tituliert „als ohne Sorgfalt zusammengeklaubt“ und darauf hinweist, dass man deshalb die fundierten Angebote der ARD brauche, die nicht darauf achten müssten, nur die Masse zu bedienen. Außerdem sagt Herr Lenze, dass die Räte der Aufsichtsgremien zu dem Ergebnis gekommen seien, „dass die derzeit vorhandenen Telemedienangebote der ARD auf keinem der in Betracht kommenden Märkte zu nennenswerten Marktstörungen führen“. Große Unzufriedenheit besteht auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Bei der Verabschiedung von Frau Ancker als Geschäftsführerin des Bayerischen Journalistenverbandes habe ich eine ganze Reihe von Gesprächen dazu geführt und immer wieder gehört, dass nunmehr zu Lasten der Rundfunk¬gebühr eine Vielzahl von Internetangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelöscht werden müssten, auch ein Ergebnis der veränderten Rechtslage. Dabei ist von einer Million gelöschter Seiten bei der ARD die Rede und das ZDF löschte nach eigenen Angaben 80 % seiner Inhalte. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten nennen diese Maßnahmen „Depublikation“.

In der Entstehungsgeschichte des Staatsvertrages haben sich die Landesmedienanstalten mehrfach mit dem Modell des Drei-Stufen-Tests befasst und ich habe regelmäßig berichtet; alleine im Jahr 2008 waren es vier Berichte zu diesen grundsätzlichen Problemlagen. Zum Einen ging es darum, dass die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst den Drei-Stufen-Test durchführen, obwohl das Idealbild sicher ein anderer unabhängiger Dritter gewesen wäre zum Beispiel in Form einer Kommission, und zum Zweiten ging es genau um die Fragen der Begrifflichkeiten und die komplizierte Regelung im Rundfunkstaatsvertrag der Länder. Die Landesmedienanstalten hatten auch schon frühzeitig in der Gesamtkonferenz darauf hingewiesen, dass ein solches Modell schon deshalb nicht funktionieren wird, weil die zweite Säule unseres dualen Rundfunksystems, nämlich Landesmedienanstalten und private Anbieter, weitgehend aus diesem Verfahren ausgegrenzt sind.

Zusammenfassend kann man feststellen: Es sind zweistellige Millionenbeträge ausgegeben worden zur Durchführung des Drei-Stufen-Tests. Alle von den Intendanten vorgelegten Telemedienkonzepte sind jetzt von den Gremien verabschiedet worden. Die Rechtsaufsicht wird dies kaum korrigieren können, weil sie nur eingeschränkt Mitwirkungsmöglichkeiten in diesem Verfahren hat. Die Konflikte zu den Weichenstellungen im dualen System sind nicht ausgeräumt, sondern haben sich weiter verschärft.

Die spannendste Frage für die Zukunft wird aber sein, ob die Grundidee, die in diesem Drei-Stufen-Test steckte und in der exakteren Definition des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich eine sachgerechte Begrenzung des gebührenfinanzierten Rundfunks zu erreichen, aufgegangen ist. Das Problem liegt im Besonderen auch darin, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten über Jahre ihre Internetangebote ausgebaut haben, ohne dass Klarheit über Möglichkeiten und Grenzen gegeben war. Viele Internetangebote sind ja entstanden, noch bevor die Verfahren abgeschlossen waren. Dies führt jetzt zu diesen Löschungskonsequenzen, die natürlich auch Ärger auslösen. Letztlich muss die Kosten auch dafür der Gebührenzahler aufbringen.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung stellt am 18.07.2010 fest, dass diese Probleme, ich zitiere, „Ausdruck der Unfähigkeit der Medienpolitiker ist, sich auf klare Vorgaben über das zu einigen, was ARD und ZDF erlaubt sein soll und was nicht.“

Ganz generell wird man zur deutschen Medienpolitik sagen müssen, dass sie die Weichen im dualen System falsch gestellt hat, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in ganz besonderer Weise gesicherte Entwicklungsperspektiven hat, und umgekehrt die längst fälligen Begrenzungen zum Beispiel bei der Werbung und dem Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, noch immer nicht erreicht wurden. In der letzten Ministerpräsidentenkonferenz wurde ein neues Haushaltsabgabenmodell grundsätzlich beschlossen, aber die Frage des Werbeabbaus und Werbeverzichts im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mit dieser Entscheidung verbunden. Auch dies hat die privaten Medienunternehmer tief enttäuscht. Auch wir in Bayern sind enttäuscht, dass eine Öffnungsklausel zur zukünftigen Finanzierung des lokalen/regionalen Fernsehens im Kreis der Länder nicht durchgesetzt werden konnte.

Aber glücklicherweise gibt es ja auch immer Positives zu berichten im Bereich unserer Aktivitäten. Ich freue mich ganz besonders, dass der Vorsitzende, Herr Dr. Jooß, die Lokalrundfunktage in Nürnberg so positiv gewürdigt hat. Ich möchte mich dem nur grundsätzlich anschließen und mich auch meinerseits bei all denen bedanken, die zum Erfolg dieser Lokalrundfunktage beigetragen haben.