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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten zur 16. Sitzung des Medienrats am 06.06.2019

06.06.2019 | 16 2019

Verhandlung um Medienstaatsvertrag geht in die nächste Runde / „Rezo“-Debatte

Heute setzen die Ministerpräsidenten der Länder ihre Beratungen zum Medienstaats­vertrag und zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Berlin fort. Dabei wird es erneut um die Finanzierung und die Auftragspräzisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen. Ob es hier heute tatsächlich zu abschließenden Ergebnissen kommt, ist abzuwarten. Sie alle wissen aus vergangenen Berichten im Medienrat, dass ich mich mehrfach für das Indexmodell zur künftigen Finanzierung ausgesprochen habe.

Ich will mich daher heute auf den Medienstaatsvertrag fokussieren, zu dem ja auch die Medienanstalten eine Stellungnahme abgegeben hatten [vgl. Bericht im MR vom 04.10.2018]. Der Entwurf liegt nun bereits seit einem Jahr vor – und gerade die Diskussionen anlässlich des „Rezo“-Videos zeigen, wie wichtig es ist, die Regulierungs­vorgaben der konvergenten Welt anzupassen.

Drei Punkte will ich noch einmal herausheben:

  • Die Rundfunkzulassung zu verschlanken ist ein Ziel des Entwurfs, das die Medienanstalten ausdrücklich begrüßen. Bereits in meiner Zeit als DLM-Vorsitzender habe ich mehrfach (anlässlich DKB-Handball-WM, PietSmiet) angeregt, die Zulassung durch eine qualifizierte Anzeigepflicht zu ersetzen. Nach Einschätzung der Medienanstalten sind die im Entwurf vorgeschlagene Fiktion einer Rundfunkzulassung sowie die Fiktion der Vollständigkeit der einzureichenden Antragsunterlagen deutlich weniger geeignet, die gewünschten Verfahrensverschlankungen zu erreichen.
     
  • Was die Regulierung von Medienplattformen, Medienintermediären und Benutzeroberflächen betrifft, begrüßen wir die geplanten Regulierungsvorhaben im Sinne von mehr Chancengleichheit und mehr Transparenz. Angesichts der zunehmenden Marktdurchdringung (vgl. Zahlen aus dem neuen Online-Audio-Monitor) können aber auch Sprachassistenten wie Amazons Alexa oder Google Home Einfluss auf die Auffindbarkeit von Rundfunkangeboten haben. Wir wünschen uns eine Klarstellung, wie diese in neue Regulierungsvorhaben mit einbezogen werden.

    Ganz aktuell habe ich vergangene Woche noch einmal auf die Notwendigkeit hingewiesen, aufgrund der zunehmenden Meinungsbildungsrelevanz von Intermediären gerade bei jungen Nutzerinnen und Nutzern, auf journalistisch-redaktionelle Angebote online wie offline die gleichen Regeln anzuwenden. Die Medienanstalten fordern seit Jahren, im Rundfunkstaatsvertrag eine bestehende Regelungslücke bei der Aufsicht zu schließen: Denn die Einhaltung der journalistischen Grundsätze bei journalistisch-redaktionell gestalteten Online-Angeboten wird derzeit nicht überwacht. Das muss – angesichts der zunehmenden Gefährdung der freien Meinungsbildung durch professionelle Desinformation journalistisch wirkender Inhalte – geändert werden! Bisher übernimmt, allerdings nur für den kleinen Bereich der elektronischen Online-Angebote von Presseunter­nehmen, der Deutsche Presserat diese Aufgabe. Den Medienanstalten, die grundsätzlich für die Aufsicht über Telemedien, also auch für journalistisch-redaktionelle Angebote von Influencern, zuständig sind, sind aktuell bei Missbrauch die Hände gebunden. Im Klartext heißt das: Wir können gegen gezielte Desinformation im Netz, etwa durch einen deutschen „Breitbart“, nichts tun.

    Wichtig ist mir zu betonen: Es geht hier nicht darum, generell Influencer regulieren zu wollen, geschweige denn Zensur auszuüben. Bei „Rezo“ sieht die zuständige Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen übrigens kein medienrechtliches Problem. Es ist aber zu begrüßen, dass die Diskussion über dieses Video das Thema der Meinungsmacht von Social Media endgültig auf die politische Agenda gesetzt hat. Es ist an der Zeit, die Anbieter sozialer Medien stärker in die Verantwortung nehmen. Auch für sie gelten – wie für die klassischen Medien – die Prinzipien und Werte unserer Gesellschaft: Vor allem der Schutz der Menschen­würde und die Sicherung von Medien- und Meinungsvielfalt sind nicht verhandelbar.
     
  • Zum dritten und letzten Punkt in Sachen Medienstaatsvertrag, den ich ebenfalls letzte Woche nochmals thematisiert habe: Der Rundfunkbegriff sollte endlich der konvergenten und digitalen Medienwelt angepasst werden. Die Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen Angeboten ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Ein Online-Nachrichtenportal auf Abruf hat mindestens so viel Meinungsmacht wie ein Shopping-Sender. Zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht sollten alle Mediengattungen – ganz gleich, ob TV, Radio, Online und Print – betrachtet und bewertet werden. Der von der BLM entwickelte MedienVielfaltsMonitor ist dafür eine gute Grundlage.

„JusProg“-Entscheidung der KJM

Die KJM hat in ihrer letzten Sitzung am 15. Mai festgestellt: Die positive Beurteilung der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Dienstleister e.V. (FSM) des Jugendschutz­programms „JusProg“ ist unwirksam. Die FSM hat ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Die Maßnahme ist aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses sofort zu vollziehen.

Zur Begründung: Die FSM hätte nach Überzeugung der KJM bei ihrer Eignungsprüfung beachten müssen, dass das Programm „JusProg“ wesentliche Teile der Nutzung von Medieninhalten durch Minderjährige nicht erfasst. Es ist nämlich ausschließlich für Windows-PCs mit Chrome Browser ausgelegt. Wir wissen aber alle: Kinder und Jugend­liche sind hauptsächlich auf ihrem Smartphone im Netz unterwegs. Bislang waren die Anbieter trotzdem privilegiert: Sie konnten ihre mit einer Alterskennzeichnung versehenen Angebote ohne sonstige Schutzvorkehrung verbreiten… Die KJM hatte bereits im Vorfeld dieser Entscheidung immer wieder darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Weiterentwicklung des Jugendschutzprogramms unbedingt erforderlich ist.

Ein Jugendschutzprogramm macht nur Sinn, wenn es dem tatsächlichen Nutzungs­verhalten von Kindern und Jugendlichen und dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Denn nur so kann es Kinder und Jugendliche wirksam schützen und nur dann ist die Privilegierung der Alterslabel für die Anbieter auch gerechtfertigt.

Was folgt aus dieser Entscheidung? Anbieter von Webseiten mit entwicklungsbeeinträch­tigenden Inhalten, die bisher für „JusProg“ gelabelt waren, müssen nun ohne Übergangs­frist einen anderen Weg suchen, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu solchen Inhalten unmöglich zu machen oder wesentlich zu erschweren. Die BLM hat bereits alle von ihr lizensierten Rundfunkveranstalter und die großen Telemedien-Anbieter mit Sitz in Bayern (Amazon) informiert.

Zu welchen alternativen Schutzvorkehrungen können Anbieter jetzt greifen? Zum einen könnten Inhalte mit einer zeitlichen Beschränkung angeboten werden. Oder man bedient sich technischer Barrieren.

Die FSM klagt nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen den Entzug der Zulassung und gegen die sofortige Umsetzung.

Es bleibt abzuwarten, ob die Richter den Sofortvollzug aufheben. Dann wäre der bisherige Zustand wieder hergestellt.

Wichtig ist festzuhalten: Die Entscheidung der KJM ist keine Grundsatzentscheidung gegen Jugendschutzprogramme. Sie ist vielmehr eine Positionierung für funktionierenden und realitätsnahen Jugendschutz.

Ein Beispiel dafür, dass Plattformlösungen im Moment tatsächlich die bessere Lösung für Anbieter darstellen, den Jugendschutz-Bestimmungen zu entsprechen, ist die positive Bewertung der KJM des Sky „Family Feature“. Dieses technische Mittel soll den Nutzerinnen und Nutzern durch eine sendungsbezogene Vorsperre plattformweiten Schutz für lineare und nicht-lineare Inhalte bieten.

DAB+-Multiplex-Entscheidung des VG Leipzig

Über den Sachstand zum Thema zweiter bundesweiter DAB+-Multiplex habe ich hier im Medienrat bereits mehrfach berichtet: Nun hat das Verwaltungsgericht Leipzig am 23. Mai den Zulassungsbescheid der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) an das Konsortium Antenne Deutschland zur Veranstaltung eines zweiten bundesweiten DAB+-Multiplex aufgehoben.

Das Vergabeverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, hieß es zur Begründung. Das Gericht folgte damit der Rechtsauffassung der Digital Audio Broadcasting Plattform (DABP), die im Ausschreibungsverfahren unterlegen war und dagegen geklagt hatte.

Jetzt sind die schriftlichen Urteilsbegründungen abzuwarten.

Hinweis Social TV Summit & Lokalrundfunktage

Gleich nach der Pfingstpause stehen zwei große BLM-Veranstaltungen an, auf die ich Sie zum Abschluss noch kurz hinweisen möchte:

Der 8. Deutsche Social TV-Summit am Mittwoch, 26. Juni, findet diesmal wieder in der BLM statt. Er steht heuer unter dem Motto „Social Media in der Verantwortung“, das angesichts der eingangs thematisierten Debatten aktueller denn je ist: So haben Skandale, Fake News oder Kartellverfahren in letzter Zeit manche Plattform ein Stück weit entzaubert. Umso wichtiger ist ein reflektierter und auch kritischer Umgang mit den großen US-Playern. Wo ergeben sich Alternativen? Wie ist der direkte Austausch mit den Nutzerinnen und Nutzern möglich, um sich von den dominierenden Plattformen unabhängig zu machen? Inwieweit können eigene digitale Angebote stärker in den Fokus gestellt werden? Diese und viele weitere Fragen diskutiert der Social TV Summit, der in Kooperation mit dem MedienNetzwerk Bayern und der Medientage München GmbH stattfindet.

Nur wenige Tage später dann am 2. und 3. Juli die Lokalrundfunktage 2019 in Nürnberg – diesmal mit dem Thema Podcasts als einem wichtigen Schwerpunkt. Im Vorfeld findet am Montag in diesem Jahr nun schon zum dritten Mal das „Volo Camp“ statt, das von der BLM und den Medientagen München organisiert wird. Eingeladen sind wieder zehn Volontäre von Radio- und TV-Stationen in Bayern. In diesem Jahr dreht sich alles um das Thema Storytelling über Social-Media-Kanäle. Insgesamt werden die zwei Kongresstage wieder wichtige Impulse für die Zukunft von Radio und Lokal-TV in der digitalen Welt geben und natürlich ein Hotspot für das Netzwerken mit der Branche sein. Das Medienfest findet übrigens wie letztes Jahr im Innenhof des Alten Rathauses statt.

Ich freue mich über Ihr Interesse und auf Ihre Teilnahme an diesen beiden Veranstaltungen!