Cookie Hinweis

Suche

Bericht des Präsidenten zur 4. Sitzung des Medienrats am 16.12.2022

16.12.2022 | 04 2022

Stand Beteiligungsveränderungen bei ProSiebenSat.1/MFE
Austausch Bert Habets

Beginnen möchte ich mit einem Thema, das in letzter Zeit viel durch die Medien gegangen ist. Ich möchte Sie auf den aktuellen Stand bringen in Sachen Beteiligungsveränderungen bei ProSiebenSat.1 / Media For Europe (MFE).

Mit Blick auf MFE scheint es erst einmal Entwarnung zu geben: Denn die Anteile von MFE an der ProSiebenSat.1 Media SE sind von 24 auf 22 Prozent gesunken.

So entschied die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) Anfang November [08.11.22] wie folgt: MFE verfügt(e) mit einem zwischenzeitlichen Kapitalanteil von insgesamt 24,26 Prozent sowie aktuell 22,72 Prozent über keine Stimmrechtsmehrheit bei der ProSiebenSat.1 Media SE. Auch liegen derzeit keine Anhaltspunkte für einen der Beherrschung vergleichbaren Einfluss der MFE vor, etwa durch personelle Verflechtungen auf der Leitungsebene, Zustimmungsvorbehalte oder enge Zulieferbeziehungen. Der MFE, und damit auch Silvio Berlusconi, sind die Programme der ProSiebenSat.1-Gruppe daher derzeit nicht zuzurechnen. Es ergibt sich zunächst kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Soweit die Rechtslage.

Wer sich aber die Faktenlage genauer anschaut, für den klingt die Rechtslage verwirrend: Denn MFE hat die Anteile zwar auf 22 Prozent reduziert, dazu kommen aber noch fast sieben Prozent Finanzinstrumente – die Anteile werden also faktisch ausgebaut. Bei Ausübung der Finanzinstrumente erhöht sich die Beteiligung auf insgesamt 29,01 Prozent.

Doch nach Entscheidungspraxis der in der Frage der Zurechnung zuständigen KEK sind medienrechtlich Kapitalmarktinstrumente nicht zu berücksichtigen. In der Konsequenz dieser Entscheidungspraxis ist daher von einer Reduzierung der Beteiligung auf insgesamt 22,72 Prozent der Stimmrechte an der ProSiebenSat.1 Media SE auszugehen.

Somit stellt sich nach geltendem Recht aktuell auch nicht die Frage, ob die mittelbare Beteiligung von Silvio Berlusconi vor dem Hintergrund seiner politischen Ämter und Funktionen mit dem aus Art. 5 Grundgesetz (GG) folgenden verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne des Rundfunks vereinbar ist.

Angesichts dieser Entwicklungen haben wir mit Spannung auf das erste Austausch­gespräch mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden von ProSiebenSat.1, Bert Habets, geschaut, das vergangene Woche stattfand.

Das Gespräch, das die Geschäftsführerin und ich geführt haben, war von einer guten und offenen Atmosphäre geprägt. Erfreulich war das klare Bekenntnis von Bert Habets zum Standort Deutschland.

So wird es im Verhältnis zum Gesellschafter MFE laut Bert Habets keinen Strategiewechsel geben. ProSieben sei ein nationaler Sender. Dazu passe die Strategie von MFE, Inhalte zu europäisieren, nicht. Es gibt aus Sicht von Bert Habets weder Synergien bei den Inhalten, noch bei der Werbevermarktung und auch nicht bei der Infrastruktur.

Die Landeszentrale wird das Thema weiter intensiv begleiten.

Twitter /Elon Musk

Zu einem weiteren aktuellen Thema: Sie alle wissen, dass Elon Musk Ende Oktober Twitter gekauft hat. Seitdem vergeht kaum ein Tag ohne neue Meldungen dazu.

Inwieweit spielen wir als Landeszentrale bei dem Thema eine Rolle? Insofern, als dass eine Münchner Rechtsanwaltskanzlei gemäß § 92 Medienstaatsvertrag (MStV) inländischer Zustellungsbevollmächtigter für Twitter ist. Damit ist für Verfahren nach dem MStV grundsätzlich die BLM zuständig. Die BLM steht daher in regelmäßigem Austausch mit den deutschen Ansprechpartnern von Twitter – noch vor Weihnachten [am 20.12.] findet ein erneutes Gespräch statt.

Anders als bei MFE ist der Gesellschafterwechsel hier jedoch agnostisch: Denn formal­rechtlich eröffnen weder ein neuer Eigentümer und noch eine neue Struktur bei einem Medienintermediär wie Twitter neue Prüfpflichten oder Eingriffsbefugnisse. Das ist bei Rundfunkanbietern anders.

Klar ist aber: In Bayern ansässige Anbieter – also auch Twitter – müssen die jugend­schutz- und telemedienrechtlichen Bestimmungen einhalten. Hassrede, Desinformation und Hetze sind und bleiben deshalb unzulässig. Eine neue Gesellschafterstruktur oder neue Geschäftsbedingungen, die Twitter selbst einführt, sind für uns selbstverständlich Anlass, ganz genau auf die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben zu schauen. Vor allem auch darauf, ob mit den neuen Eigentumsverhältnissen Hassrede und Desinformation zunehmen.

Die Verbreitung von Hassrede und Desinformation hat nach vorläufigen Erkenntnissen der BLM bisher seit der Übernahme nicht zugenommen. Um hierzu eine valide Aussage treffen zu können, ist der Zeitraum seit der Übernahme aber noch zu kurz.

Digitale Streetworker

Zu einem ganz anderen Thema. Zur Medienpädagogik.

Es ist meine tiefe Überzeugung: Mit unseren medienpädagogischen Projekten müssen wir junge Menschen dort abholen, wo sie sich aufhalten. Bzw. wir müssen unsere Inhalte dorthin bringen, wo es brennt. Also auf Social Media, auf digitalen Plattformen.

Aus diesen Gründen möchte ich das Thema digitale Streetworker für unsere medien­pädagogische Arbeit weiterentwickeln. Das war auch Thema eines Austauschs mit Staatsministerin Ulrike Scharf Anfang des Monats. Sie unterstützt dazu ein Projekt des Bayerischen Jugendrings (BJR) mit inhaltlicher Betreuung durch das JFF – Institut für Medienpädagogik. Der Ansatz, in digitalen Gruppen Hilfe anzubieten und Ansprechpartner für Themen wie Cybermobbing oder sonstige Sorgen von Jugendlichen zu sein, funktioniert sehr gut. Das könnte, das sollte auch auf andere wichtige Felder der Medienpädagogik ausgeweitet werden.

Mit BJR und JFF habe ich meine Idee diskutiert, in Zukunft zusätzlich zu hauptamtlichen digitalen Streetworkern auch auf Ehrenamtliche zu setzen – so ähnlich wie im Referentennetzwerk unserer BLM-Stiftung Medienpädagogik Bayern. Das würde zu einer Vervielfachung der digitalen Streetworker führen und hätte damit eine ganz andere Breitenwirkung.

Hier prüfen wir gerade in der Stiftung mögliche Synergien.

Bundesweiter Warntag / DAB+

Letzte Woche am Donnerstag [08.12.22] war bundesweiter Warntag.

Während die neue Handy-Warnung via Cell Broadcast leider längst nicht auf allen Mobiltelefonen funktioniert hat, war der Echtzeit­test der Warnmöglichkeiten über das Digitalradio DAB+ ein Erfolg.

Sowohl die Unterbrechung eines Programms mit einer Warnmeldung als auch das „Aufwecken“ aus dem Stand-by-Modus bei neuen Radiogeräten hat bestens funktioniert. Beim Live-Test in der Landeszentrale kam pünktlich um 11 Uhr eine mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) abgestimmte Warnmeldung zum Einsatz.

Radio hat damit erneut bewiesen, wie verlässlich es warnen kann. Mit dem Digitalradio DAB+ können wir künftig einen wichtigen Baustein zum bundesweiten Warnmix beitragen. In den neuen Gerätegenerationen wird sich dieses Merkmal hoffentlich bald durchsetzen und zu einem Plus an Sicherheit beitragen.

Start 089 Kult

Auch mein nächstes Thema ist ein DAB+-Thema:

Am 1. Dezember konnte ich nicht nur das erste Türchen öffnen. Ich durfte auch, gemeinsam mit Medienminister Dr. Florian Herrmann und Radio-Gong-Geschäftsführer Johannes Ott, den roten Knopf zum Sendestart von 089 Kult Radio drücken – einige von Ihnen waren ja dabei.

Erst im Juli hatten Sie, die Mitglieder des BLM-Medienrats, die ausgeschriebene Münchner-DAB-Kapazität an 089 Kult vergeben.

Mit seinem Konzept, einen Fokus auf lokale Kulturberichterstattung zu setzen, möchte 089 Kult Radio etwas ganz Besonderes sein. Für mich ist es mit diesem Ziel definitiv eines der spannendsten, aber auch ambitioniertesten privaten Radiovorhaben der letzten Zeit.

Denn der Sender will eine Lücke schließen zwischen dem akademischen – um nicht zu sagen „abgehobenen“ – Bayern 2 und dem Bedürfnis vieler Stadtmenschen, sich über das kulturelle Leben und kulturelle Angebote in ihrer Stadt zu informieren.

Ich drücke die Daumen, dass das gelingt.

Rückblick Augsburger Mediengespräch und Forum Medienpädagogik

Zum Schluss noch ein Rückblick auf den Veranstaltungs-Spätherbst.

Es war uns eine große Freude, nach zwei Jahren Pause endlich wieder – gemeinsam mit den Augsburger Radio- und TV-Sendern – zum traditionellen Augsburger Mediengespräch einzuladen. Und die Freude war umso größer, da Mitte November mehr als 200 Gäste ins Augsburger Hotel Maximilian’s gekommen sind. Unter dem Motto „Fake News in Krisen­zeiten: Gefährdet Desinformation die Demokratie?“ ging es allem voran um die zentrale Frage, wie man Falschnachrichten eindämmen und der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken kann.

Möglichkeiten und Ansätze, Fake News entgegenzusteuern wurde nach einem Impuls des Medienwissenschaftlers Prof. Dr. Bernhard Pörksen in der anschließenden Podiums­diskussion vertieft und kompetent diskutiert. Fazit: Jede und jeder kann und sollte etwas gegen Fake News und deren Verbreitung tun.

Nicht nur beim Augsburger Mediengespräch, sondern auch einige Tage später beim Forum Medienpädagogik hier in der BLM, habe ich mich gefreut, einige von Ihnen zu sehen.

Im Mittelpunkt der Fachtagung, die Herr Schwägerl freundlicherweise moderiert hat (vielen Dank!), stand diesmal das Thema „digital natives = digital talents? Die Bedeutung von digitalen Medien für die Talententwicklung von Kindern und Jugendlichen“.

Ein Thema, das auf der Hand liegt: Denn ganz egal, ob beim Tanzen auf TikTok, beim Spielen auf Twitch oder beim Programmieren mit Making-Projekten – digitale Medien bieten jungen Menschen viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren und eigene Talente kennenzulernen.

Gut gefallen hat mir der positive Blick der Veranstaltung auf entwicklungs- und persönlichkeitsfördernde Aspekte bei Kindern und Jugendlichen – auch wenn die Herausforderungen natürlich benannt wurden.

Mir ist aber besonders wichtig: Medienpädagogik muss Spaß machen und darf nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommen. Kinder und Jugendliche müssen sich ausprobieren können. Sie müssen experimentieren dürfen. Sie müssen in ihrem Alltag abgeholt werden – das ist unser zukunftsweisender Ansatz in der Medienpädagogik.

Wie gut das funktionieren kann, hat das 27. Forum Medienpädagogik anhand spannender und toll präsentierter, praxisnaher Vorträge aus der Kinder- und Jugendarbeit gezeigt.