Cookie Hinweis

Suche

Positionen & Reden

Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zur Eröffnung des 5. Deutschen Social TV Summit am 23. Juni 2016

23.06.2016 | P&R 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen im Literaturhaus München zum 5. Deutschen Social TV Summit, in diesem Jahr unter dem Motto „Sichtbar, präsent, abhängig? Der Kampf um den Nutzer im Social Web“. Das Wort Literatur galt noch bis ins 19. Jahrhundert hinein als Synonym für den Begriff Wissenschaft. Dieser Ort ist also ideal, um sich gründlich mit Erkennt­nissen, Wissen und Erfahrungen in Bezug auf das Phänomen auseinanderzusetzen, das wir Social TV nennen.

Social Media ist der Medientrend der Gegenwart. Entsprechende Angebote ermöglichen es Nutzern, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu erstellen, zu teilen oder zu diskutieren. Etwa ein Drittel aller Internet-Nutzer in Deutschland loggte sich im vergangenen Jahr mindestens einmal wöchentlich in ein Soziales Netzwerk ein. Fast ein Viertel der Internet-Gemeinde, so die ARD/ZDF-Onlinestudie 2015, nutzte Facebook, Twitter & Co. sogar täglich.

Plattformen wie diese oder auch Snapchat können das Erlebnis Fernsehen zum Live-Event machen. Soziale Netzwerke fachen das Fernseh-Lagerfeuer in gewisser Weise wieder an, in dem sie TV-Sendungen in interaktive Gemeinschaftserlebnisse verwandeln. Vor allem Inhalte, die auf dem TV-Bildschirm durch ein großes Maß an Aktualität und Emotionalität gekennzeichnet sind, scheinen für Social TV prädestiniert. Darüber hinaus kann Social TV das Publikum auf TV-Sendungen aufmerksam machen oder die Bindungen an bestimmte Marken oder Formate intensivieren.

Nach Angaben der Agentur MediaCom wurden 2015 in Deutschland mehr als 10 Milli­onen Tweets und Facebook-Posts zu TV-Sendungen registriert. 2014 lag diese Zahl noch bei 5,8 Millionen. Das bedeutet für 2015 ein Wachstum um etwa 75 Prozent! Die meisten Postings bei Facebook und Twitter entfielen auf Tagesschau und Tatort, gefolgt von Ich bin ein Star – holt mich hier raus! und dem Eurovision Song Contest.

Die MediaCom-Forscher gehen übrigens davon aus, dass der zunehmende „Social-TV-Buzz“ nicht in erster Linie auf eine stark wachsende Community zurückzuführen ist, sondern darauf, dass diejenigen, die online Fernsehsendungen kommentieren, dies immer häufiger und intensiver tun. Die deutsche Social-TV-Gemeinde insgesamt wächst langsam, aber kontinuierlich. Zu diesem Ergebnis kam im vergangenen Jahr nicht nur MediaCom, sondern auch eine Social-TV-Studie von Goldmedia.

Social TV ist eine Form der interaktiven Mediennutzung, bei dem der Distributionsapparat Fernsehen um echte Kommunikation erweitert wird.

Und Social TV gewinnt auch jenseits des linearen Fernsehens an Bedeutung: bei Video on Demand, Live-Streaming-Apps, Mediatheken und natürlich auch bei YouTube. Social TV verbindet die Elemente Bewegtbild und soziale Interaktion in Echtzeit miteinander. Dabei wird immer deutlicher, dass sich das Social Web zu einer Art Meta-Ebene gesellschaft­licher Kommunikation entwickelt, als Mischung aus Massen- und Individual­kommunikation.

Wir leben in einem Zustand permanenter Vernetzung, bei dem sich unser Alltag im Zustand des „Permanently online, permanently connected“ befindet. Typisch für das Social Web sind Netzwerke, die in hoher Frequenz immer und überall genutzt werden. Sie prägen die Art, mit der wir verarbeiten, was uns begegnet. In diesem Rahmen bietet Social TV die Möglichkeit, über Fernsehprogramme zu kommunizieren. Das stärkt – aus Sicht der Programmmacher – einerseits die Zuschauerbindung, ermöglicht andererseits – aus Sicht des Publikums – aber auch die kritische Reflexion über alles, was im Fernsehen angeboten wird.

Social TV hat sich etabliert – auch wenn einige der wichtigen Pioniere der Startphase vom Markt verschwunden sind oder nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das gilt vor allem für eine Reihe anfangs hochgelobter Apps: GetGlue, Yap.tv, Miso, IntoNow, Waydoo und Zapitano existieren nicht mehr. Gowalla wurde von Facebook übernommen.

Inzwischen dominieren die großen Plattformen den Markt, allen voran Facebook und Twitter. Facebook, Twitter und Google sind weitaus mehr als nur Social-Media-Platt­formen. Einerseits können sie dank ihrer starken Marktpositionen Preise und Konditionen diktieren, andererseits bieten sie längst selbst eigene Video-Inhalte an oder machen sie zugänglich.

Social TV verhilft Bewegtbildangeboten im Internet zu größerer Sichtbarkeit und Präsenz. Social Media und TV-Programme leben von der Interaktion. Es geht darum, Nutzer an bestimmte Plattformen oder Inhalte zu binden – und natürlich auch darum, mehr über die Vorlieben und Interessen von Rezipienten und Konsumenten in Erfahrung zu bringen. Social TV kann aber für Programmanbieter auch zu einer gewissen Abhängigkeit von den großen Social Networks führen. Deshalb verfügen einige TV-Programme inzwischen über eigene Social-TV-Apps. Der Markt bleibt also durch eine große Dynamik geprägt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im vergangenen Jahr haben wir an dieser Stelle beim 4. Deutschen Social TV Summit ausgelotet, wie TV-Programmmacher Social TV effektiv nutzen können und wie sich der Nutzer-Dialog verändert. Dabei ging es um die Vermeidung von Medienbrüchen und die Abstimmung von TV-Programminhalten auf die interaktiven Potenziale von Social TV. Lassen Sie uns in diesem Jahr darüber diskutieren, wie Sender und Plattformen einander so ergänzen können, dass alle vom Social TV profitieren: Netzwerke, TV-Programm­anbieter, Werbewirtschaft und vor allem das Publikum, und zwar so, dass ausreichend Spielräume für einen publizistischen und ökonomischen Wettbewerb entstehen. Voraussetzung dafür sind Fair Play und vor allem Kreativität. Nur so kann Social TV nachhaltig den Informations- und Unterhaltungswert von TV-Programmen erhöhen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen spannenden Tagungsverlauf.