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Positionen & Reden

Rede von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zur 1. Vollversammlung des Europäischen DMB-Projekts "MI FRIENDS"

29.11.2005 | P&R
Das Europäische DMB-Projekt MI FRIENDS -
Neue Chancen und Herausforderungen für die Medienzukunft

- Es gilt das gesprochene Wort! -
 

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Brüggemann,
sehr geehrter Herr Kohnert,
 
nachdem wir nun auf das CELTIC-Label für unser europäisches DMB-Projekt mit Ihnen anstoßen durften, können wir zu Recht sehr stolz  sein und uns über diesen wichtigen Etappensieg freuen. Im März dieses Jahres haben wir uns in diesem Saal zum ersten Mal getroffen mit dem ehrgeizigen Ziel, das CELTIC-Label im Rahmen des EUREKA-Förder­programms zu erhalten und damit eine wichtige Fördermöglichkeit für das DMB-Projekt zu erschließen.
 
Lassen Sie mich deshalb kurz zurückblicken, um Ihnen die wesentlichen Schritte in den vergangenen acht Monaten zu erläutern:
 
Im Februar haben wir beim „CELTIC-Information-Day“ erstmals Möglichkeiten und Wege mit der CELTIC-Initiative abgestimmt, um uns mit dem geplanten DMB-Projekt Regensburg an der bereits laufenden Ausschreibung „Call 3“ von CELTIC zu beteiligen.
 
Einen Monat später haben wir das DMB-Projekt Regensburg mit der Option auf die Erweiterung zu einem europäischen Projekt hier in diesem Saal auf der Grundlage des Art. 30 des Bayerischen Mediengesetzes ausgelobt.
 
Bis zum 12. April gingen über 80 verschiedene Projektvorschläge aus neun Ländern ein. Diese große Resonanz hat uns sehr gefreut und uns darin bestärkt, ein europäisches DMB-Projekt zu initiieren.
 
Wir haben zur Verbesserung der Projektchancen und des Informationsaustausches zu Digital Multimedia Broadcasting, kurz DMB, nur zwei Tage später, am 14. April 2005, bereits ein Memorandum of Understanding (MoU) mit dem Ministerium für Information und Kommunikation (MIC) der Republik Korea geschlossen. Parallel dazu wurde ein  Memorandum of Understanding zur technischen Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Rundfunktechnik (IRT) und dem Institut ETRI in Südkorea unterzeichnet.
 
Am 22. April haben wir fristgerecht unseren Vorantrag, das „Prosposal Outline“, bei der CELTIC-Initiative als Bewerbung für ein europäisches CELTIC/EUREKA Projekt eingereicht. Zwei Monate später, am 22. Juni, konnten wir auf den Lokalrundfunktagen in Nürnberg verkünden, dass wir die erste Vorprüfung durch CELTIC für dieses Projekt erfolgreich bestanden hatten. Gleichzeitig wurden wir von der CELTIC-Initiative aufgefordert, nunmehr einen Vollantrag, das „Full Project Proposal“, bis zum 6. Oktober einzureichen. Dafür war eine Vielzahl von Abstimmungen mit Ihnen als Projektpartner sowie auch mit CELTIC und mit potenziellen Förderpartnern notwendig.
 
Am 12. Juli wurde DMB von der europäischen Standardisierungsbehörde ETSI offiziell als europäischer Übertragungsstandard anerkannt, so wie es DAB und DVB bereits sind. Das hat uns nochmals bestärkt, unser Ziel konsequent weiter zu verfolgen.
 
Am 6. Oktober haben wir dann fristgerecht den Antrag auf ein europäisches DMB-Projekt bei CELTIC eingereicht, unter dem Titel: „Mobile Interactive Favourite TV, Radio, Information, Entertainment and New Digital Services“. Die griffige Abkürzung für diesen langen Projekttitel lautet schlicht „MI FRIENDS“.
 
Vom 26. – 28. Oktober haben wir in Abstimmung mit der CELTIC-Initiative das Projekt MI FRIENDS bereits vorab auf den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2005, sowohl auf dem Kongress als auch im Rahmen der Ausstellung, erstmals der Fachwelt präsentiert. Die Resonanz war beeindruckend.
 
Am 18. November wurde der Projektantrag erfolgreich durch die europäische Prüfkommission genehmigt. Das europäische DMB-Projekt „MI FRIENDS“ erhielt die Zertifizierung durch das begehrte CELTIC-Label im Rahmen des EUREKA-Förderprogramms. Das offizielle Prüfergebnis liegt uns nun seit knapp einer Woche schriftlich vor.
 
Das war alles in allem sicherlich kein gemütlicher Spaziergang, sondern phasenweise ein durchaus heißer Sprint. Die Freude, mit Ihnen gemeinsam das Ziel erreicht zu haben, ist deshalb sehr groß. Dies um so mehr, als wir, gemessen am Projektvolumen, das zweitgrößte und nach der Zahl der Partner das größte der zwölf aktuell genehmigten CELTIC-Projekte von ursprünglich 29 Bewerbungen sind.
 
Ich glaube, das hat einen Applaus, verbunden mit dem Dank an alle Helfer und Unterstützer verdient.
 
Allen voran möchte ich deshalb Herrn Heinz Brüggemann, Direktor des CELTIC Office, und seinem Team für die vielen hilfreichen Ratschläge danken. Er wird uns heute sicher noch intensiver über das Prüfverfahren, die Bedeutung des CELTIC-Labels und das weitere Vorgehen informieren.
 
Unser Dank richtet sich auch an die jeweiligen Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie der Bayerischen Staatskanzlei und der Bayerischen Forschungsstiftung, die uns nützliche Hinweise für ein erfolgreiches Vorgehen gegeben haben.
 
Mein Dank gilt auch dem koreanischen Ministerium für Information und Kommunikation und den koreanischen Projektpartnern unter der Delegationsleitung von Mr. Ryu für die freundschaftliche Zusammenarbeit.
 
Ich darf einige koreanische Partner heute ausnahmsweise entschuldigen. Der Grund ist nachvollziehbar und spornt uns an:
In zwei Tagen, am 1. Dezember, erfolgt in Seoul als weltweite Premiere der Start und Regelbetrieb für das terrestrische Digital Multimedia Broadcasting. Ich möchte an dieser Stelle unser aller Glückwünsche nach Südkorea, allen voran dem zuständigen Minister D.-J. Chaen, übermitteln.
 
Ein besonderes Dankeschön gilt Herrn Christoph Dosch vom IRT. Als ausgewiesener Experte für nationale und internationale Projekte in Forschung und Entwicklung stand er uns insbesondere in kniffligen Detailfragen zu Struktur, Organisation und Management des Projekts als Mentor und Coach zur Seite.
 
Nicht zuletzt möchte ich dem Team der Bayerischen Medien Technik, stellvertretend dem Geschäftsführer Herrn Frank Strässle-Wendelstein und insbesondere dem Technischen Leiter Herrn Rainer Biehn, danken.
 
Schließlich danke ich natürlich Ihnen allen, die sich in den letzten acht Monaten aktiv für das Projekt eingesetzt haben, kombiniert mit dem Mut „neue Wege in die Medienzukunft“ zu erproben. Diese „neuen Wege in die Medienzukunft“ eröffnen uns allen wichtige Chancen. Gleichzeitig werden wir aber auch mit neuen Herausforderungen konfrontiert.
 
Wir haben mit unserem Projekt MI FRIENDS sowohl in der Zielsetzung als auch in der Struktur, aber auch mit der Zahl und Art der Partner eine wohl einzigartige und überaus interessante Initiative und Plattform geschaffen. Die Chancen und Stärken liegen dabei vor allem in den folgenden Charakteristika:
 
1. MI FRIENDS ist „länderübergreifend“.
Wir werden mit unserem Projekt neben Regensburg und München auch am Bodensee mit dem Standort Pfänder und in Südtirol antreten. Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich dem ORF, stellvertretend dem Technischen Direktor Andreas Gall, und der Rundfunkanstalt Südtirol und deren Technischem Direktor Dr. Georg Plattner ausdrücklich danken, dass sie sich mit Ihren Sendenetzen beteiligen.
 
Die europäische und internationale Ausrichtung des Projekts bietet uns ganz neue Spielräume zur Entwicklung eines paneuropäisch einsetzbaren mobilen Rundfunk- und Kommunikationssystem.
 
2. MI FRIENDS ist „interdisziplinär“.
Neben Partnern aus Technik und Wirtschaft sind gleichzeitig Inhalte- und Serviceanbieter sowie Experten der Mediennutzungsforschung mit an Bord. Wir haben damit die Gelegenheit, disziplinübergreifend zu arbeiten. Als Einzelkämpfer könnte man dagegen leicht den Bezug zur Realität verlieren.
 
3. MI FRIENDS ist „technologieübergreifend“.
Das Projekt zielt darauf ab, bislang getrennte Verbreitungsstandards bzw. darauf aufsetzende Rundfunk- und Kommunikationssysteme zu einem neuen Zusammenspiel zu führen. Der gewählte Technologieansatz ist daher bewusst weniger „revolutionär“ als ausdrücklich „evolutionär“ zu verstehen. Das heißt: Wir werden „gut Funktionierendes“ nicht leichtfertig durch „Neues“ ersetzen, sondern das „Neue“ zum bereits Bestehenden hinzufügen. Das schafft nicht zuletzt auch Vertrauen beim Verbraucher.
Mit den neuen DMB-Empfängern lassen sich zum Beispiel auch Digital Radio-Program­me empfangen. Zudem sollen im Arbeitspaket  „Future Technology“ Möglichkeiten getestet werden, wie beispielsweise DMB- und DVB-H-Angebote mit einem Gerät empfangen werden können.
 
4. MI FRIENDS ist „intermedial“.
Wir müssen lernen bisherige Grenzen zu überwinden. Wir werden deshalb in diesem Projekt ganz bewusst versuchen, zwischen den Mediengattungen Fernsehen, Radio,  Print und Online eine stärkere Zusammenarbeit zu erproben. Das kann uns ganz neue Formen von Medienangeboten bescheren. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur einmal das Stichwort „visual radio“.
 
5. MI FRIENDS setzt auf public-private-partnership.
Neben großen Playern der privaten Wirtschaft finden sich unter den designierten Partnern eine Vielzahl an klein- und mittelständischen Unternehmen. Gleichzeitig tritt der Rundfunk in dualer Aufstellung mit öffentlich-rechtlichen und privaten Akteuren an.
Ich darf an dieser Stelle den drei beteiligten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten BR, ORF und SRG und der Deutschen Welle für ihre Mitwirkung danken. Darüberhinaus wirken eine Vielzahl privater Rundfunkanbieter mit. Stellvertretend z. B. Premiere, Focus-TV wie auch Lokales Fernsehen und Lokalradio aus Regensburg. Hinzu kommen Universitäten, Fachhochschulen und öffentliche Einrichtungen. Dieser einzigartige Partner-Mix eröffnet ganz neue Chancen für ein aktives public-private partnership.
Dies wird von allen Experten als grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategie gesehen, um Wachstum durch Innovation zu schaffen und gleichzeitig eine nachhaltige Wertsteigerung nicht aus dem Blick zu verlieren.
 
Die Vorzeichen dafür sind gut. Das berühmte „window of opportunity“ ist durch das CELTIC-Label weit geöffnet worden. Das Ziel ist klar:  Wir wollen gemeinsam mit Ihnen in den kommenden zwei Jahren möglichst viele wertvolle Erfahrungen für den Einsatz neuer mobiler Rundfunkangebote und Mediendienste sammeln und austauschen, und zwar um eine erfolgreiche Markteinführung von DMB in Bayern, Deutschland und Europa vorzubereiten.
 
Diese Aufgabe ist sicherlich überaus komplex. Der Erfolg von MI FRIENDS wird dabei maßgeblich von der angewandten Strategie, der Qualität der Ausführung und der gewählten Struktur bestimmt.
 
Diese drei Kernmanagement-Aufgaben sind notwendig, jedoch meines Erachtens noch nicht  ausreichend. Ausschlaggebend für den Erfolg unseres Projektes wird vor allem sein, ob es uns gelingt, eine neue Projektkultur zu wagen und aktiv zu pflegen.
 
Wir müssten dabei unsere Tugend des „Erprobens und Entwickelns“, die uns schon viele Erfolge beschert hat, revitalisieren und weiter entwickeln. Gefragt sind zukunftsfähige Formen der Kooperation. Es muss uns in den nächsten 24 Monaten gelingen, Team­arbeit zu praktizieren und Kooperation über Alleingänge zu stellen. Außerdem brauchen alle Beteiligten den Mut, etwas Neues auszuprobieren
 
Das verlangt von uns allen im Unterschied zum Wettbewerbsdenken ein deutliches Mehr an gegenseitigem Vertrauen, Offenheit und Fairness. Besitzstandsdenken ist dagegen wenig hilfreich. Gefragt sind mehr denn je praxisnahes Netzwerk-Denken und –Handeln. Gleichzeitig müssen wir für dieses Projekt lernen, Risikobereitschaft und Fehlertoleranz zu zeigen. Denn Widersprüche und Unzulänglichkeiten werden den Projektalltag mit be­stimmen. Das macht nun mal ein Pilotprojekt aus.
 
Ich würde mich sehr freuen, wenn es gelingt, die Stärken und Chancen des Projekts, die in den von mir aufgezeigten Projekteigenschaften „länderübergreifend“, „interdisziplinär“, „technologieübergreifend“ „intermedial“ und „public-private-partnership“ liegen, zu nutzen. Zum Erfolg werden wir aber MI FRIENDS nur führen, wenn wir auf Teamarbeit setzen.
 
Das ist sicherlich ein ambitioniertes Ziel, meine sehr geehrten Damen und Herren. Allerdings haben wir den ersten Schritt, die Zertifizierung durch das CELTIC-Label, bereits gemeinsam geschafft. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass wir auch das gesamte Projekt MI FRIENDS gemeinsam zum Erfolg führen können.
 
In diesem Sinne wünsche ich uns eine gute Zusammenarbeit und eine informative Veranstaltung!