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Positionen & Reden

Grußwort von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zur Eröffnung der Lokalrundfunktage in Nürnberg am 03.07.2007

03.07.2007 | P&R

- Es gilt das gesprochene Wort! -
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
herzlich willkommen zu den 15. BLM-Lokalrundfunktagen hier in Nürnberg, einem kleinen Jubiläum also. Wie sich das für ein Jubiläum gehört, gibt es eine sehr positive Neuerung auf diesen Lokalrund­funktagen, und zwar das "Ausbildungsforum“, das die BLM in Zusammen­arbeit mit dem MedienCampus Bayern organisiert hat. Es richtet sich ausdrücklich an den Mediennachwuchs. Schüler, Studenten und Auszubildende erhalten hier Gelegenheit, sich über die branchen­spezifischen Berufsanforderungen und Perspektiven zu informieren. 
 
Neben dem Besuch von Workshops und Diskussionsrunden besteht für die Teilnehmer auch die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren, z.B. im Casting-Studio von afk-tv oder bei einer Live-Radiosendung. Im „Gläsernen Studio“ wird eine mehrstündige Livesendung mit dem Schwerpunkt „Jobs in den Medien“ von afk-max und M94,5 gemeinsam produziert und zeitgleich in München und Nürnberg ausgestrahlt. – Nicht wirklich neu ist der internationale Anspruch, den die Lokalrundfunktage schon seit einigen Jahren haben, er war allerdings noch nie so ausgeprägt, wie in diesem Jahr: Mit Mike Kraus, Rick Jensen, Mike Powell und Arndt Peltner sind alleine vier Referenten aus den USA bei uns, dazu kommen Experten aus Irland, Italien und Frankreich und nicht zuletzt jeweils eine ganze Reihe Referenten aus Österreich und der Schweiz. Sie und alle anderen Referenten möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich begrüßen.
 
Mein besonderer Dank gilt wie immer unseren Kooperations­partnern, Sponsoren und Förderern, von denen viele thematische Anregungen kamen und die die Lokalrundfunktage auch finanziell unterstützen. Ohne diese Unterstützung wäre das vielfältige Angebot nicht möglich.
 
Ein großes Thema dieser Lokalrundfunktage ist das Internet, mit dem wir uns auch in den zurückliegenden Jahren immer wieder beschäftigt haben. Als multimedialer Übertragungs­weg, als Grundlage für innovative Anwendungen und als neue Partizipations­möglichkeit für Rezipienten bietet es reichlich Stoff für Diskussionen in den insgesamt 19 Work­shops. Es geht um die kommenden inhaltlichen, technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, um zukünftige Entwicklungen und zukünftigen Wettbewerb.
 
Nachdem der Hörfunk in den zurückliegenden Jahren eher das Stiefkind der Digitalisierung war, ist er in den letzten Wochen wieder deutlich stärker in den Fokus der Diskussion gerückt. Damit ist nach meinem Eindruck auch ein Stück weit die Orientierungslosigkeit gewichen, die in der Branche doch stark spürbar war. Lassen Sie mich zur weiteren Entwicklung des Hörfunks drei Anmerkungen machen:
 
Die neuesten Ergebnisse zur Mediennutzung, sei es nun die aktuelle Online-Studie von ARD und ZDF oder die neue Untersuchung der Radiozentrale, weisen darauf hin, dass die Nutzungszeiten im Internet sehr schnell wachsen, während die Nutzung der klassischen Medien stagniert. Bei den 14 bis 19-Jährigen sind die Nutzungswerte bereits völlig aus­geglichen: 100 Minuten täglich für Radio, 101 Minuten für Internet und 105 Minuten für Fernsehen. Und für das Radio gibt es neue Konkurrenz.
Auch wenn Plattformen wie „Pandora“, „lastfm“ oder „musicovery“ derzeit noch keine beeindruckenden Reichweiten haben, muss man sie unbedingt ernst nehmen, denn sie stehen für Individualisierung, Personalisierung und Community-Bildung. Dies sind starke Trends zumindest bei der jungen Generation. Man sollte auch die Internet-Radios nicht unterschätzen. Mittlerweile sind Internet-Radioempfangs­geräte auf dem Markt für weniger als 200 Euro. Damit lassen sich, ohne dass man mit dem PC oder Laptop online ist, einige tausend Radio­stationen weltweit live empfangen. Beide Entwicklungen werden noch mehr zur Konkurrenz, wenn in abseh­barer Zeit mobiles Internet kombiniert mit Flatrates Standard sein wird. Dennoch gibt es keinen Grund, auf diese und weitere Wettbewerber panisch zu reagieren. Radio verfügt über die besten Voraussetzun­gen, auch in einer fragmentierten Medienwelt eine wichtige Rolle einzunehmen:
 
Es ist und bleibt überall und sofort verfügbar, es ist schnell, es ist mobil, als Medium im lokalen/regio­nalen Raum integriert und es ist ein Medium, das sowohl informiert als auch unterhält. Diese Stärken muss der Hörfunk nutzen.
 
Die ideale Ausgangsposition wäre, wenn Lokalradio auf allen digitalen Plattformen verbreitet werden würde. Da wir mittlerweile von etwa einem Dutzend unterschiedlicher Plattformen reden, ist dies jedoch aus wirt­schaftlichen Gründen illusorisch. Es kommt also darauf an, sich auf die wichtigsten Verbreitungswege zu konzentrieren und die eigenen Stärken optimal einzusetzen: UKW bleibt zumindest in den kommenden Jahren der entscheidende Verbrei­tungsweg. Ich glaube, anhand der zahlreichen Diskussionen der vergangenen Monate sind wir uns einig, dass man im Internet ebenso wie in Digital Radio präsent sein sollte und dass die mobilen Verbreitungswege DMB und/oder DVB-H wichtig werden. Nutzen Sie Ihre Marke und Ihre lokale Kompetenz für eine starke lokale Internetplattform. Beziehen Sie die Nutzer mit ein, setzen Sie auf den Community-Gedanken, lassen Sie die Hörer mitmachen, nicht nur bei Gewinnspielen. Und überlegen Sie, welche weiteren Angebote Sie im Internet und mittel­fristig in Digital Radio machen können. Nutzen Sie die Potenziale der Digitalisierung, um mit neuen Formaten, Ansprache­formen, Diensten und Partnern auch in Zukunft Ihre Hörer zu erreichen.
 
Damit das Medium Radio auch künftig eine Chance im Markt hat, brauchen wir neben lokal/regionalen und landesweiten auch bundesweite Ressourcen und Angebote. Ich habe in letzter Zeit häufiger gehört, dass sich lokale Anbieter Sorgen machen, wegen der beste­henden Pläne im digitalen Radio für bundes­weiten Hörfunk. Wenn sie ihre Stärken und Kompetenzen nutzen, haben sie dazu keinen Grund.
 
Die aktuelle Studie der Radiozentrale bestätigt, dass 80 Pro­zent der Hörer Radio vor allem als lokales/regionales Medium schätzen. Dazu kommt, dass es in Deutsch­land, abgesehen vom Deutschlandfunk, keine Tradition für ein bundes­weites Radio gibt - und beim Deutschlandfunk reden wir von einer Tagesreichweite in Bayern von 87 Tsd. Hörern. Dennoch brauchen wir auch bundesweite Digital Radio-Programme. Für den Aufbau solcher Programme sind wirtschaftlich potente und risikobereite Unternehmen notwendig. Auch der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ist bei Digital Radio in starkem Maße gefordert, da er über die entsprechenden wirtschaftlichen Mittel verfügt, seine Ressourcen neu zu ordnen.
 
Eine letzte Anmerkung zum Hörfunk: Die Reichweite für den lokalen Hörfunk weist seit zwei Jahren nach unten. Und das bei einer durchweg positiven Konjunkturentwicklung.
Dieser Trend ist nicht gottgegeben, sondern hat teilweise auch mit redaktionellem Minimalismus und lieblosen Playlists zu tun, d.h. mit insgesamt wenig auf­regendem Programm. Ich weiß sehr wohl um die Vorleistungen beim Aufbau des lokalen Hörfunks und ich weiß auch, dass strukturelle Verbesserungen notwendig sind. Dennoch gilt: Wenn nicht mehr ins Programm investiert wird, sondern es primär darum geht, Gewinne mitzunehmen, ist es kein Wunder, wenn der Erfolg ausbleibt. Bei allen Digitalisierungsplänen, das bisher gültige Geschäfts­modell wird sich auch in den kommen­den Jahren nicht ändern. Deshalb fordere ich an dieser Stelle ganz bewusst die Gesell­schafter auf, jetzt zu investieren, bevor es zu spät ist. Denn Programminvestitionen zahlen sich nicht innerhalb von Tagen aus. Da bedarf es manchmal eines etwas längeren Atems. Und verspielte Reputation ist schwer wieder zurück zu gewinnen.
 
Beim lokalen Fernsehen haben wir in den vergangenen Monaten einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der Medienrat hat einstimmig begrüßt, dass sich die Bayerische Staats­regierung zur Fortführung des von der Landeszentrale und den Anbietern in zwei Jahr­zehnten aufgebauten lokalen und regionalen Fernsehkonzepts entschlossen hat. Es liegt nun ein Gesetzentwurf vor, mit dem durch Haushaltsmittel für eine Übergangsphase die wirtschaftliche Grundlage für qualitätsvolles Lokalfernsehen mit publizistischem Anspruch abgesichert werden soll. Gleichzeitig hält es der Medienrat allerdings für notwendig, die jetzt vorgesehene Geltungsdauer – 31.12.2009 – wenigstens bis zum 31.12.2010 und damit auf die Laufzeit des nächsten Doppelhaushalts auszudehnen. Dies gibt den Anbietern Planungs­sicherheit und fasst den Handlungsrahmen für eine Nachfolgeregelung aus der Rundfunk­gebühr nicht zu eng. Denn dieser Weg zur zusätzlichen Rundfunkgebühr ist mit einer Reihe von Stolpersteinen gepflastert.
Erfreulich ist - jetzt nehme ich ein Ergebnis der Funkanalyse voraus - dass die lokalen TV-Sender nicht nur bei der Reichweite, sondern aus Sicht der Zuschauer auch qualitativ zugelegt haben. Dies ist allerdings auch nötig, schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Oktober 2005 erhöhte Vielfalts- und Qualitätsanforderungen an die lokalen Fernsehanbieter gestellt, wenn diese aus öffentlichen Mitteln gefördert werden sollen.
 
Auf einem guten Weg sind im Übrigen auch die Verhand­lungen über die digitale Kabeleinspeisung der lokalen Programme und Fernsehfenster. Die technischen Fragen sind grundsätzlich geklärt. Mit der Einspeisung der lokalen 24-Stunden-Kanäle wird noch in diesem Jahr begon­nen. Genauso wichtig ist die Integration der lokalen Fenster in die digitale Kabelverbreitung von RTL.
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
soviel Medienpolitik für den Moment. Sowohl Infratest als auch die Preisträger warten schon auf ihren Auftritt. Speziell zu den medienpolitischen Fragen wird heute Nachmittag in den Workshops der CSU-Medienkommission und der Arbeitsgruppe Medienpolitik der SPD Landtagsfraktion mehr Zeit sein, über einige der von mir angerissenen Themen zu diskutieren. Uns allen wünsche ich in den kommenden zwei Tagen spannende Veranstaltungen, intensive Diskussionen, anregende Gespräche und  - so muss man heute wohl sagen - ein feuchtfröhliches Fest auf der Kaiserburg.