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Grußwort von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring anlässlich der sechsten Augsburger Mediengspräche am 29. Januar 2008
29.01.2008 | P&R
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, Sie zu den 6. Augsburger Mediengesprächen hier im Rathaus begrüßen zu dürfen. Mein Gruß und Dank gilt an erster Stelle dem Augsburger Oberbürgermeister Dr. Paul Wengert. Der guten Zusammenarbeit mit der Stadt Augsburg verdanken wir es, dass sich die Mediengespräche hier, im Herzen der Stadt, etablieren konnten. Herzlich begrüßen möchte ich auch die Vertreter der Augsburger Medien, die uns wieder in bewährter Weise bei der Organisation und der Bewerbung dieser Veranstaltung unterstützt haben.
Der volle Saal zeigt, dass wir ein Thema gewählt haben, das viele Menschen bewegt. Die Karten waren innerhalb weniger Tage ausverkauft, was wir bestimmt nicht zuletzt der Zusammensetzung des Podiums zu verdanken haben. Herzlich willkommen, liebe Podiumsgäste und liebe Frau Maybrit Illner. Und selbstverständlich heiße ich Sie alle willkommen und bedanke mich für Ihr Interesse. Ich bin sicher, dass wir eine spannende und aufschlussreiche Diskussion erleben werden.
Das Thema dieser sechsten Augsburger Mediengespräche ist: „Medienkinder - Wie viel Medien brauchen Kinder?“ Gemeint ist damit einmal, wie viel unterschiedliche Medien nutzen und brauchen Kinder, aber noch mehr, welche Inhalte sind Kindern zuträglich oder eben nicht und wie viel Zeit sollten Kinder mit dem Konsum von Medien verbringen. Wenn man beginnt, sich mit diesen Fragen intensiver und auch unter wissenschaftlicher Perspektive zu beschäftigen, stößt man mitunter auf erstaunliche, weil im ersten Moment überraschende Ergebnisse. Ich bin mir ziemlich sicher, dass fast alle hier Anwesenden als Fakt gespeichert haben, dass Kinder heute natürlich mehr fernsehen als vor 15 Jahren. Wie sollte es anders sein, schließlich hat die Zahl der Programme in dieser Zeit gewaltig zugenommen, das gilt speziell auch für die Zahl der Kinderprogramme: KIKA, Super RTL, Nick, Disney Channel, Junior usw. hat es alle 1992/93 nicht gegeben. Und natürlich ist auch die Anzahl der Fernsehapparate seitdem stark angewachsen. Mehr als 50 Prozent der 6- bis 13-Jährigen haben heute in ihrem Kinderzimmer einen Fernseher stehen. Umso erstaunlicher ist es, dass der Fernsehkonsum dieser Altersgruppe zurückgegangen ist. Die Kinder sehen heute weniger fern als vor 15 Jahren. Wer mehr fernsieht sind wir, Sie und ich. Bei den Erwachsenen ist die durchschnittliche Zeit, die wir vor dem Fernseher verbringen, in diesen 15 Jahren deutlich gestiegen. Statistisch von 237 Minuten auf 299 Minuten täglich. Das sind fünf Stunden. Ich weiß, was Sie jetzt sagen werden: Niemals schau ich am Tag soviel fern. Wahrscheinlich tun Sie das auch gar nicht. Aber es ist zumindest die Zeit, in der ein TV-Gerät in einem deutschen Haushalt im Durchschnitt täglich eingeschaltet ist. – Was man auch immer wieder hört im Zusammenhang mit unserer heutigen Diskussion: Eltern sind, auch was den Medienkonsum, vor allem den Fernsehkonsum, angeht, die wichtigsten Vorbilder für ihre Kinder. Seit der Wiedervereinigung beobachten die Fernsehforscher, dass die Menschen in den neuen Ländern täglich etwa eine halbe Stunde mehr fernsehen als die Bevölkerung in Westdeutschland und dass sie eine ausgeprägte Vorliebe für private Programme haben. Das gleiche Phänomen stellt man bei den Kindern fest und eigenartiger Weise hat hier in den vergangenen 19 Jahren so gut wie keine Angleichung stattgefunden.
Dass der Fernsehkonsum bei Kindern in den letzten 15 Jahren gesunken ist, ist auf den zweiten Blick wenig verwunderlich, weil das Fernsehen vor allem in den letzten Jahren sehr stark von anderen Medien verdrängt wurde. Jeder, der Kinder hat, weiß das. Wir haben heute bei den 12- bis 19-Jährigen fast eine Vollversorgung, was Fernsehgeräte, Handy, PC/Internet, mp3- Player und CD-Player angeht. Hier hat eine unglaubliche Entwicklung stattgefunden, wenn man sich vergegenwärtigt, dass 1998, also vor 10 Jahren, gerade acht Prozent in dieser Altersgruppe über ein Handy verfügten und im Jahr 2004 nicht einmal 10 Prozent in diesem Alter über einen mp-3-Player. Heute sieht man kaum mehr Jugendliche auf der Straße, die nicht Kopfhörer im Ohr stecken haben. Und natürlich sind es diese – in Anführungszeichen – neuen Medien, die dazu geführt haben, dass der Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen heute insgesamt so hoch ist wie nie zuvor.
Wichtiger noch als der zeitliche Aspekt sind die Angebote und Inhalte, die Kinder und Jugendliche konsumieren. Während für die Jugendlichen inzwischen der Computer und das Internet die bedeutsamsten Medien sind, ist für die Kinder nach wie vor das Fernsehen das wichtigste Medium. Kinder bis zu einem Alter von zehn bis elf Jahren sehen vor allem Kindersendungen. Super RTL und KIKA sind die bevorzugten Kanäle. Was die Erwachsenen sehen, ist bis zu diesem Alter ziemlich uninteressant.
Als die Länder im Jahr 2003 den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag verabschiedet haben, wurde gleichzeitig die sog. Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gegründet, deren Vorsitzender ich seitdem bin. Etwas verkürzt gesagt, kontrolliert die KJM die elektronischen Medien einschließlich weiter Teile des Internets und damit auch den Bereich der Online-Spiele auf jugendbeeinträchtigende und jugendgefährdende Inhalte. Ich will nicht sagen, das Fernsehen ist harmlos, aber es ist bei weitem nicht so problematisch wie Teile des Internets, des Spielesektors oder dessen, was Handy-Provider zum Download anbieten.
Gerade über die Gefahr von Computer- und Videospielen ist in den zurückliegenden Jahren sehr viel diskutiert worden. Erschreckende Anlässe dafür gab es einige. Der Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 etwa war so ein Anlass. Auch wenn die Spieleindustrie inzwischen gerne mit Begriffen wie „Family-Games“ jongliert und damit auch versucht vom negativen Image loszukommen, bleibt es eine Tatsache, dass es viele Spiele gibt, die vor Gewalt strotzen, aber auch viele Spiele, die durchaus positive Inhalte aufweisen. Wir wissen, dass gerade männliche Jugendliche sog. „Shooter-Spiele“ bevorzugen, wir kennen die Suchtgefahr, die von Spielen ausgeht, die Gefahr auf Dauer den Bezug zur Realität zu verlieren und den bisher sehr wenig beleuchteten finanziellen Aspekt. Letzteres heißt, dass es immer mehr Online-Spiele gibt, bei denen man wie bei „World of Warcraft“ neben einer monatlichen Abo-Gebühr immer wieder z.B. für „Werkzeuge“ mit realem Geld bezahlen muss, um sich im Spiel Vorteile verschaffen zu können.
Trotz dieser vorhandenen Gefahren sollten wir uns vor einer eindimensionalen Betrachtungsweise auch des Spielesektors hüten. Durch die steigende Nachfrage gibt es inzwischen auch ein großes Angebot von familientauglichen Spielen und Serious Games. Letztere sind Computer- und Videospiele, die nicht primär zu Unterhaltungszwecken produziert werden, sondern der Wissensvermittlung dienen und als Simulations- oder Trainingsspiele in der Berufsausbildung, der Gesundheitsvorsorge und Therapie sowie der Pädagogik genutzt werden. Es gibt mithin Spiele, bei denen Kinder und auch wir Erwachsene etwas lernen, die intellektuell fordern, die Kreativität verlangen und die Fähigkeit strategisch zu denken. Letztlich gilt das mehr oder weniger für alle Medien. Es geht nicht um schwarz oder weiß, es geht wie bei vielen Dingen im Leben um das rechte Maß.
Zum Abschluss noch ein letztes Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, der „KIM-Studie 2006, Kinder + Medien, Computer + Internet“, die den Medienumgang und das Freizeitverhalten 6 bis 13-jähriger Kinder untersucht hat: Auf die Frage nach ihren liebsten Freizeitaktivitäten nannten Kinder aller Milieus an erster Stelle „Freunde treffen“, an zweiter Stelle „draußen spielen“ und erst an dritter Stelle „fernsehen“. – Ich finde dieses Ergebnis durchaus ermutigend.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und darf das Mikrofon an Herrn Oberbürgermeister Dr. Wengert für sein Grußwort weiterreichen.