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Positionen & Reden

Grußwort des Vorsitzender der KJM, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, anlässlich der Veranstaltung "5 Jahre KJM"

02.04.2008 | P&R 2008

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Kollegen und Gremienmitglieder der Landesmedienanstalten,
sehr geehrte Vertreter der Medienunternehmen und Selbstkontrolleinrichtungen,
– ich begrüße stellvertretend für die Fernsehsender Herrn Doetz vom VPRT und Herrn Schindler von Google für die Internetbranche, die unter der Moderation von Frau Riekel zum Thema "Wie nimmt die Öffentlichkeit Jugendmedienschutz wahr?" diskutieren werden –
liebe Mitglieder, Mitarbeiter und Prüfer der KJM,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

auf den Tag genau vor fünf Jahren hat sich die Kommission für Jugendmedienschutz konstituiert: Als frisch wiedergewählter Vorsitzender der KJM – und ich bedanke mich an dieser Stelle nochmals für das in mich gesetzte Vertrauen – möchte ich heute eine Zwischenbilanz ziehen, vor allen Dingen aber nach vorne schauen.
Besonders freue ich mich, dass Ministerpräsident Günther Beckstein heute hier ist. Er setzt mit seinem langjährigen Engagement und seiner Anwesenheit ein Zeichen für den Jugendmedienschutz. An die Politik gerichtet darf ich sagen: Es war eine kluge und gute Entscheidung, die KJM als zentrales Aufsichtsorgan für Rundfunk und Telemedien ins Leben zu rufen.
Die Aufbauarbeit einer komplexen Struktur hat uns vor große Herausforderungen gestellt, die wir allerdings gut meistern. Das wurde uns auch von höchster Stelle bestätigt. Ich zitiere aus dem Schreiben von Familienministerin Ursula von der Leyen, die heute aufgrund beruflicher Verpflichtungen leider nicht anwesend sein kann: "Ich möchte diesen Anlass nutzen, den Mitgliedern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KJM und ganz besonders Ihnen für Ihr großartiges Engagement für den Jugendmedienschutz in Deutschland zu danken. Seit der Reform des Jugendmedienschutzsystems vor fünf Jahren hat der Jugendmedienschutz in Deutschland große Fortschritte gemacht. Dies bestätigt auch die von Bund und Ländern in Auftrag gegebene Gesamtevaluation der Jugendmedienschutzvorschriften des Hans-Bredow-Instituts. Das Modell der regulierten Selbstregulierung hat sich bewährt. Dazu hat vor allem die gute Arbeit der KJM als zentrales Aufsichtsorgan über den Jugendmedien-schutz im Rundfunk und in Telemedien [...] beigetragen." Soweit das Zitat.
Und nur einen weiteren Meilenstein möchte ich im Hinblick auf Grundsatzfragen und juristische Auseinandersetzungen anführen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2007 verwies ausdrücklich auf die von der KJM definierten Eckpunkte für Altersverifikationssysteme. Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag dürfen bestimmte jugendgefährdende Inhalte wie einfache Pornografie in Telemedien nur in geschlossenen Benutzergruppen verbreitet werden. Zu deren Sicherstellung fordert die KJM eine Identifizierung per Face-to-Face-Kontrolle unter Einbeziehung von Ausweisdokumenten und eine verlässliche Authentifizierung bei jeder Nutzung. Die Richter nennen in ihrem Urteil explizit die positiv bewerteten Konzepte für geschlossene Benutzergruppen im Internet.
Dass neben der Geschäftsstelle in Erfurt die KJM-Stabsstelle unter dem Dach der BLM beheimatet ist, entstammt einer guten Tradition: Wie Sie vielleicht wissen, habe ich von Anfang 1999 bis 2003 den Vorsitz der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm der Landesmedienanstalten geführt. Das Jugendschutzreferat unter der Leitung von Frau Weigand war hier von Anfang an mit zahlreichen länderübergreifenden Fragestellungen zum Jugendmedienschutz befasst. Auf dieses Fachwissen und die langjährige Erfahrung, die seither in der BLM erworben und kontinuierlich erweitert wurden, konnte die KJM von Anfang an zurückgreifen. Zusammen mit den Fachkräften in anderen Landesmedienanstalten konnte die KJM so ihre Arbeit trotz fehlender Übergangsfristen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag von Beginn an gewährleisten.
Hervorragend hat sich die Vernetzung mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und jugendschutz.net bewährt. Die Kooperation schafft Synergien, die es in der Form vor der Neuausrichtung des Jugendmedienschutzsystems noch nicht gegeben hat. Alle Beteiligten bringen ihre spezifischen Kenntnisse und Kompetenzen ein, die maßgeblich zum Erfolg unserer Arbeit beitragen. Nicht zuletzt die heterogene Struktur der Kommission befördert und qualifiziert die Zusammenarbeit in der KJM mit einem Ziel: dem Jugendmedienschutz.

Und noch eine andere Verbindung hat sich von Anfang an als sehr fruchtbar herauskristallisiert: Es hat sich gezeigt, dass die Gremien der Landesmedienanstalten eine Schlüsselrolle wahrnehmen, wenn es um eine differenzierte Betrachtung von Wertefragen geht. Sie beziehen öffentlich Position zu Wertefragen im Jugendschutz und geben wichtige Impulse für die Bewertung aktueller Problemlagen.
Ohne dieses gebündelte Wissen und den Sachverstand wären die vielen Prüffälle kaum in der Qualität und Quantität zu bewältigen. Seit ihrer Gründung hat sich die KJM mit 2.330 Fällen befasst, davon waren 530 im Rundfunk und 1.800 in Telemedien angelegt. Zu 935 Indizierungsanträgen der Bundesprüfstelle hat die KJM eine Stellungnahme abgegeben und zu 400 Medienangeboten selbst einen Antrag auf Indizierung gestellt. Die Prüfgruppen haben sich hier als unerlässlich für die Bewältigung der Fülle an Aufsichtsfällen erwiesen. Mein besonderer Dank gilt heute deshalb allen Beteiligten, vor allem den Mitarbeitern und Prüfern, die durch ihren Einsatz zum Erfolg der KJM beitragen.
Zahlen alleine beschreiben allerdings nicht, um welch problematische Inhalte es sich handelt: Ein Großteil der geprüften Angebote – gerade im Internet – enthielt Pornografie, Abbildungen von Kindern und Jugendlichen in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung (sog. Posenfotos), Gewaltdarstellungen und rechtsextremistisches Gedankengut. Der begrenzten Wirkung ordnungspolitischer Maßnahmen müssen wir in einem so flüchtigen Medium wie dem Internet gewahr sein. Trotzdem oder gerade deshalb muss die Aufsicht immer wieder Grenzen aufzeigen.
Der Jugendschutz und der Schutz der Menschenwürde sind Rechtsgüter mit Verfassungsrang. Welchen Stellenwert diese Normen und Wertvorstellungen hierzu in der Gesellschaft haben, zeigen die Diskussionen darüber, wo denn eigentlich die Grenzen verlaufen. Derlei Diskurse konnten wir alle mehrmals seit Anfang des Jahres mitverfolgen: Große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit fanden beispielsweise tagsüber frei zugängliche Sex-Werbeseiten im Teletext bundesweiter TV-Veranstalter und die antisozialen Inszenierungen bei "Deutschland sucht den Superstar". Die KJM versteht sich hier nicht nur als Aufsichtsinstanz, sondern will auch gesellschaftspolitische Prozesse anstoßen.
Der Grundgedanke des Ko-Regulierungssystems ist, die Anbieter bei ihrer Verantwortung abzuholen. Das ist ein langwieriger und oft steiniger Weg, der sich in Verfahren und Akten widerspiegelt, dessen Ziel sich aber vor allem in den Köpfen – respektive der Unternehmenspolitik – der Anbieter zeigt. Umso mehr freut mich, dass Medienunternehmen zunehmend sensibler für das Thema Jugendschutz werden: gerade solche, die – wie Google,  Microsoft oder United Internet – international aufgestellt sind. Sie haben über ihre Netzwerke und den gegenseitigen Austausch Möglichkeiten, die Entwicklung einheitlicher Regeln voranzutreiben. Zwischen den anerkannten Selbstkontrolleinrichtungen Freiwillige Selbstkontrolle (Multi-)Media (FSM) und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), den Anbietern und der KJM hat sich in den letzten Jahren eine konstruktive Zusammenarbeit entwickelt.
Inhaltliche Grenzziehungen sollten beim Thema Jugendschutz auch in einer globalisierten Welt oberste Priorität haben. Im Dialog mit Vertretern anderer Länder können wir viel bewirken und das deutsche Modell der regulierten Selbstregulierung auch über Europa hinaus transportieren, wie beispielsweise der Austausch mit einer japanischen Delegation im November vergangenen Jahres zeigte.
Nicht zuletzt richtet sich mein Appell heute an die Politik: Ihre gestaltende Aufgabe ist gefragt, um das deutsche Jugendmedienschutzsystem weiterzutragen. Das soll einerseits nicht heißen, sich auf den kleinsten Nenner zu einigen. Die oberste Maxime muss immer der Schutz von Werten und von Menschenwürde insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Heranwachsenden sein. Diese Grundüberzeugung sollte nicht aufgeweicht werden. Andererseits kann und darf das deutsche Modell, das im weltweiten Vergleich sehr strenge Regelungen beinhaltet, keine Insellage einnehmen. Wir können die Herausforderungen für einen effektiven Jugendschutz zukünftig nur bewältigen, wenn internationale Standards die Aussicht auf Erfolg gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
gerne habe ich in der zweiten Amtsperiode den Vorsitz der KJM übernommen und werde alles daran setzen, den Jugendmedienschutz kontinuierlich weiterzuentwickeln. Mit Ihrer Hilfe und Verantwortung können wir viel für unsere Kinder – unsere Zukunft – bewegen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und darf jetzt das Wort an den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein übergeben.