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Positionen & Reden

Grußwort von Dr. Erich Jooß anlässlich "25 Jahre BLM" am 25.03.2010

25.03.2010 | P&R

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrte Damen und Herren,

Jubiläen haben die verräterische Neigung zum Rückblick. Oft sind sie schon ein Teil der Geschichte, die sie doch erst feiern sollen, und oft versuchen sie, diese Geschichte ausführlich zu rechtfertigen, selbst wenn sie auf eine solche nachträgliche Legitimation gar nicht angewiesen ist. Lassen Sie mich deshalb ganz anders fragen: Würde der Gesetzgeber die Bayerische Landeszentrale für neue Medien heute noch genauso erfinden, wie er sie damals geschaffen hat? Würde er heute noch in das Messer eines Volksentscheides laufen, der dem Freistaat Bayern einen privaten Rundfunk in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft eingebracht hat und eine Kontrolle der Anbieter durch ein selbstbewusstes, mit dem Staat und der Politik verbundenes, aber nicht in ihnen aufgehendes Gremium?

Bei manchen Zungenschlägen der aktuellen Mediendiskussion habe ich den Verdacht, dass unsere im Medienrat immer wieder demonstrierte Unabhängigkeit für einige Beteiligte ein Ärgernis ist, zumindest aber unbequem. Wäre es so, dann sollte uns das nicht weiter sorgen. Jede gesellschaftlich verantwortete Zuständigkeit für die Medien tendiert zum Konflikt und ist gerade deshalb ein stetiges Element der Überraschung und Erneuerung. Das gilt im Übrigen auch für den Föderalismus, der größten vorhersehbaren Störung der politischen Prozesse in unserem Staat. Und doch führt dieser Föderalismus zusammen, was sonst auseinanderfallen oder zentralistisch erstickt würde.

Das trifft ganz ähnlich für den Medienbereich zu. Selbst Spezialisten gelingt es kaum noch, die Rundfunkänderungs-Staatsverträge der letzten Jahre in ihren Weiterungen zu überblicken. Manches dabei mutet eher wie ein Stückwerk an. Aber die komplizierten gesetzlichen Regelungen und Verständigungsversuche sind auch Ausdruck einer immer komplizierter werdenden Medienwelt. Weil Politik von den medialen Entwicklungen ständig überholt wird, muss sie ihre Regelungskompetenz in dem Bewusstsein wahrnehmen, dass diese immer nur vorläufig sein kann. Darin liegt die Chance für einen offenen Mediendiskurs, der nicht von endgültigen Gewissheiten bestimmt wird.

In diesem Sinne vorläufig ist und bleibt auch die Arbeit des bayerischen Medienrates. Das Gremium muss laufend Strukturentscheidungen treffen und weiß doch, dass der Markt genauso wie die rasanten technologischen Entwicklungen und die Veränderungen in den Nutzungsgewohnheiten solche Strukturen jederzeit wieder in Frage stellen oder sogar einreißen können. Hiervon unberührt bleiben jedoch die gesellschaftlichen Markierungen – oder soll ich sagen: Wertentscheidungen? -, die der bayerischen Medienlandschaft erst ihre unverwechselbare Signatur gegeben haben. Dazu gehört beispielsweise das Bewusstsein, dass Medien und regionale/lokale Nähe kein Widerspruch sind, sondern ein gesellschaftspolitischer Glücksfall. Oder die Überzeugung, dass sich Angebotsvielfalt nicht erfolgreich und dauerhaft organisieren lässt ohne eine vorausgehende Vielfalt der Anbieter. Solche Leitplanken, wie man sie neuerdings gerne im politischen Jargon nennt, haben dem Medienstandort Bayern eine sehr lebendige Hörfunk- und Fernsehlandschaft beschert, die freilich im digitalen Zeitalter die nächste Bewährungsprobe noch vor sich hat.

Genauso wie übrigens die Anbieterszene, die der Medienrat mit wachsender Sorge betrachtet. Immer mehr Persönlichkeiten aus den Pionierjahren ziehen sich auf das Altenteil zurück, ihre Anteile pflegen sich dann die Medienplatzhirsche zu sichern. Was auf den ersten Blick der Kontinuität dient, ist freilich auch dazu geeignet, die Individualität zu gefährden…

Jubiläumsfeiern neigen eher zu Antworten. Sie haben eine verklärende Tendenz. Dagegen kann man sich nur mit Fragen wehren: Sind wir in dieser schwierigen Übergangssituation eigentlich noch neugierig auf Neues? Geben wir jungen Medienunternehmern, den Kreativen aus dem Internet, die Medien zusammendenken und nicht auseinanderdividieren wollen, überhaupt eine reelle Chance? Wie können wir den Experimentierfreudigen, den Wagemutigen, Hilfestellungen geben und sie in ihrer regulierungsfreien Existenz abholen, die ihnen die Frage erspart, was Rundfunk ist und was nicht? Daran, so glaube ich, wird sich entscheiden, wie die BLM von morgen aussieht und wo sich Bayern dann in der Medienkonkurrenz der Länder wiederfindet.

Der Ausblick in die Zukunft darf und soll freilich nicht den Blick verstellen auf die existierenden Strukturen, auf die reiche Palette an Sendern und Programmen, die in Bayern ihr Zuhause fanden. Sie haben hier Wachstumsbedingungen angetroffen, die alles andere als selbstverständlich waren und für die erst der Gesetzgeber gemeinsam mit der BLM und ihrem Medienrat sorgen mussten. Daran möchte ich dankbar erinnern. Ich habe selbst im Medienrat als Hinterbänkler den Prozess der Konsensbildung studieren dürfen, bevor ich als stellvertretender Vorsitzender des Fernsehausschusses und des Medienrates mitbekam, wie schwer sich manche Sachverhalte in einfache Antworten, in verständliche Beschlusslagen ummünzen lassen. Noch schwieriger war es, aus der Vielzahl an Entscheidungen ein funktionsfähiges, zeitgemäßes Mediengebäude zu errichten. Dafür danke ich ausdrücklich den damaligen Medienräten, die heute so zahlreich erschienen sind und mit ihrem verantwortungsbewussten, vorausschauenden Handeln das Tor zur Medienzukunft geöffnet haben, selbst wenn diese Zukunft dann nicht immer glänzend, manchmal sogar ernüchternd, ausfiel.

Danken möchte ich an diesem Tag auch dem Apparat der BLM, wie er gelegentlich etwas salopp und trotzdem respektvoll genannt wird. Die Verwaltung der Landeszentrale erleben wir im Medienrat nicht als Hemmnis, sondern als Hilfe. Gelegentlich fordert sie uns auch zum Widerspruch heraus, dann müssen wir Grenzlinien markieren. Das gehört aber zu jedem Miteinander: Erst die Grundtonart der Auseinandersetzung schärft die Argumente und ver-hilft den sinnvollsten Lösungen zum Durchbruch. Ich habe jedenfalls nie die Erfahrung gemacht, dass die BLM Medienräte ins Leere laufen ließ oder verkürzt informierte. Stattdessen stellte sie uns ihre gesamte Kompetenz zur Verfügung und gab sich auch nicht beleidigt, wenn wir einmal woanders Ausschau hielten nach fachlichen Einschätzungen und Modellen. Das Team jedenfalls, das uns in einem Vierteljahrhundert begleitet hat, war immer motiviert, zielstrebig und trotzdem nachdenklich. Als Vorsitzender des Gremiums verdanke ich dem Fachpersonal der BLM jedenfalls viele Anregungen und Anstöße und bin mir sicher, dass der Medienrat das insgesamt so empfunden hat und empfindet.

Wenn ich an diesem Nachmittag zurückblicke, möchte ich auch die dunklen Momente nicht aussparen, die uns gemeinsam erschüttert haben, in besonderer Weise aber den Präsidenten und mich. Ich meine damit die Affäre, die sich aus den Anbieterdarlehen an meinen Vorgänger entwickelte und zeitweise nicht nur die beteiligten Personen, sondern auch die BLM in einen Abgrund zu reißen drohte. Für mich war dies genauso wie für den Präsidenten ein Lernfall, der sich auf alle Entscheidungsmechanismen im Medienrat erstreckte und die Einrichtung mit allen Handelnden auf den Prüfstand stellte. Das hat vieles verändert, nicht jedoch die Wertschätzung für den Präsidenten, der sich für die Medien in unserem Land leidenschaftlich eingesetzt hat und oft genug an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gegangen ist. Dafür gebührt ihm Achtung und Dank. Es sind die Menschen, die den Einrichtungen erst das nötige Profil, erst ein Gesicht geben. Deshalb darf ich heute ohne Übertreibung sagen: Die letzten 25 Jahre waren auf ihre ganz spezifische Weise eine Ära Ring und diese Ära Ring wäre kaum denkbar gewesen ohne einen fähigen und treuen Hausmeier wie Gebrande und die vielen prägenden langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Würde der Gesetzgeber, so habe ich am Anfang meiner Rede gefragt, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien heute noch genauso erfinden wie damals? Wahrscheinlich müsste er dann mit dem Widerstand einiger mächtiger Interessengruppen rechnen. Das spräche freilich nur für die BLM und ihren Kurs während fünfundzwanzig Jahren. Trotzdem hat sich in diesem Vierteljahrhundert der Wind für manche unbemerkt gedreht. Das duale System, das sich lange Zeit bewährte, scheint immer weniger als Ordnungsschema für die Medien in unserem Land zu taugen. Neu aufgebrochen ist auch die Diskussion über die Gremienmitwirkung und das nicht nur durch den Drei-Stufen-Test. Der Staatsvertragsgeber hat den Landesmedienanstalten eine zentrale Kommissions- und Geschäftsstellenstruktur verordnet, in der die Gremien auf Bundesebene nur noch alibihaft vorkommen. Vermutlich ist dies dem alten, unausrottbaren Gegensatzdenken von Hauptamtlichkeit und Ehrenamtlichkeit geschuldet. Ich halte es jedenfalls für einen Systemfehler, wenn die Verantwortung einseitig bei den Direktoren gebündelt wird. Solche überschießenden Tendenzen lassen sich nur noch schwer korrigieren, auch wenn dies in der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten auf der Tagesordnung bleiben wird und der Diskurs darüber zu ersten, sinnvollen Korrekturen geführt hat.

Die Frage nach dem künftigen Ort der Gremien in den privaten Medien stellt sich unüberhörbar. Ich bin der Überzeugung, dass sich die Gremien, wenn sie eine Zukunft haben wollen, mehr denn je um die sogenannten weichen Faktoren kümmern müssen: um Medienpädagogik und Medienkompetenz, die durch unsere bayerische Stiftung gefördert werden sollen, um Fragen der Programmkritik und Programmqualität, um Toleranz und Menschenwürde. Hier die Stimme zu erheben, das sind wir unserem gesellschaftlichen Auftrag schuldig.

Der bayerische Medienrat hat das schon immer getan. Ich erinnere an die lebhaften Auseinandersetzungen, die über die Entgleisungen in den Talkshows geführt wurden, an den Einspruch gegen „Deutschland sucht den Superstar“ oder an den erst vor wenigen Tagen erfolgen Widerruf der Genehmigung für ein Programmformat, das unter dem Begriff des „Ultimate Fighting“ beworben wird. Diese Bilanz der streitigen Schärfung von Programmkriterien kann sich sehen lassen und hinterließ markante Spuren bis hinein in den Jugendmedienschutz. So heftig im Medienrat auch diskutiert werden kann und häufig diskutiert wird, so einig sind wir uns in elementaren gesellschaftlichen Fragen und Bewertungen. Das gilt auch für die vorbildhafte Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat, der sich um das wirtschaftliche Fundament der BLM kümmert. Als Vorsitzender des bayerischen Medienrats habe ich deshalb allen Grund, heute zu danken.