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Positionen & Reden

Begrüßung von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zum BLM-Forum „Werbung ade – neue Erlösmodelle passé – Zukunftsoptionen der Finanzierung des privaten Rundfunks“ am 22. Juni 2010 in München

22.06.2010 | P&R 2010

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf Sie herzlich zum BLM-Forum „Werbung ade – neue Erlösmodelle passé – Zukunftsoptionen der Finanzierung des privaten Rundfunks“ hier in der Landeszentrale begrüßen. Ein Jahrzehnt liegt in diesem Jahrtausend hinter uns, ein Jahrzehnt mit zwei Medienkrisen. Die Bilanz der Medienmärkte seit dem Jahr 2000 sieht nicht rosig aus. Nach dem nicht überraschenden Einbruch der New Economy folgte zwar eine Phase der Konsolidierung, in der die Verluste auf den Werbemärkten annähernd wettgemacht werden konnten, doch die Finanz- und Wirtschaftskrise seit Herbst 2008 beeinträchtigt die Entwicklung fast aller Medien- und Kommunikationsmärkte erneut. Vor dem Hintergrund anhaltender wirtschaftlicher Turbulenzen – wir erleben gerade die zweite Welle der aktuellen Wirtschaftskrise und kein Mensch weiß, wie lange sie dauern und wie sie ausgehen wird – auch wenn ganz aktuell einige Signale für die Besserung sprechen. Laut einer neuen Analyse der Hamburger Agentur Magna Global sollen die Netto-Werbeerlöse bereits im Jahr 2010 um 3 Prozent steigen. Dennoch sehen sich viele Medienunternehmen weiterhin von zwei Seiten unter Druck. Es geht sowohl um strukturelle als auch um konjunkturelle Unsicherheiten.

Die Berg- und Talfahrt der vergangenen zehn Jahre bedeutet eine enorme Belastung für die Unternehmen, da Planungssicherheit weitgehend fehlt. Die aktuelle Banken- und Kapitalmarktkrise geht an die Substanz vieler Unternehmen. Noch nie seit Mitte der 80er Jahre, als das Privatfernsehen an den Start ging, haben die Medienunternehmen eine so große Anzahl an redaktionellen Mitarbeitern entlassen; noch nie war der Einbruch der Werbemärkte in einigen Medienbereichen so tief wie im Jahr 2009 und vor allem war die Verunsicherung der Branche über die eigenen Zukunftsperspektiven noch nie so groß.

Sie kennen alle die ZAW-Zahlen für 2009, die seit einem Monat vorliegen. Danach sind die Werbeeinnahmen von Wochen- und Sonntagszeitungen im Vergleich zu 2008 um 21,6 Prozent, von Publikumszeitschriften um 16,8 Prozent, von Tageszeitungen um 15,5 Prozent, vom Fernsehen um 9,8 Prozent und vom Hörfunk um 5,7 Prozent zurückgegangen. Einzig der Bereich Online konnte zulegen, aber auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel.

Diese Zahlen sind ernüchternd, aber nicht überraschend. Sie stimmen im Hörfunk und Fernsehen mit den Prognosen der im Herbst 2009 veröffentlichten Studie „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks in Deutschland“ überein, die von acht Landesmedienanstalten (BLM, LFK, mabb, MA HSH, LPR Hessen, LfM, LMK und SLM) beauftragt wurde.

Zumindest in einem gewissen Gegensatz dazu stehen die Ergebnisse der RTL-Gruppe und der ProSiebensat.1 Media AG im ersten Quartal 2010. Die RTL-Gruppe machte gegenüber dem Vorjahrsquartal einen Gewinnsprung von 126 Prozent, die ProSiebenSat.1 Media AG erhöhte ihren Gewinn immerhin noch um 37 Prozent. Trotz dieser überraschend positiven Ergebnisse reagierten die Verantwortlichen beider Konzerne zurückhaltend. Diese Einschätzung wird von Experten geteilt: Zwar ermittelte das Marktforschungsunternehmen Nielsen, dass zuletzt Unternehmen aus nahezu allen Branchen wieder deutlich mehr in Werbung investiert haben. Andererseits ist dieser Aufschwung mit vielen Unsicherheiten behaftet. Sollte sich die Euro-Krise ausweiten, wird das Werbevolumen vermutlich sehr schnell zurückgehen.

Auch wenn man von der konjunkturellen Krise absieht, gibt es für das Geschäftsmodell der Free-TV-Anbieter eine Reihe kritischer Vorzeichen. Sie alle kennen die Stichworte: Konkurrenz droht einmal durch die große Anzahl von Anbietern, die inzwischen mit dem gleichen Geschäftsmodell im Markt sind. Allein zwischen 2003 und 2008 ist die Zahl der werbefinanzierten TV-Programme in Deutschland um rund 60 Prozent auf knapp 300 gestiegen. Nicht wenige Experten prognostizieren deshalb eine kommende Konsolidierungswelle. Konkurrenz droht auch aus dem Internet. Sollten sich große Teile des Publikums zukünftig verstärkt z.B. Web-TV-Inhalten zuwenden, wird das klassische Fernsehen an Reichweite und damit auch an Werbeumsätzen verlieren. So sieht die Media-Agentur OMD Germany in ihrer Zukunftsstudie Media Map 2010 – 2020 eine weitere Umschichtung von Werbung in Richtung digitaler Medien voraus. Nach ihren Prognosen wird das Internet auch in Deutschland bereits 2013 der kommerziell wichtigste Werbeträger sein. Da vor allem soziale Netzwerke und Communities die Reichweitengewinner im Internet sind und die Suchmaschinenwerbung weiter zunimmt, spricht einiges dafür, dass es zu weiteren Umschichtungen der Werbebudgets zum Internet kommen wird.

In den Unternehmen wird intensiv nach Mitteln und Wegen gesucht, die Einbußen auf dem Werbemarkt zu kompensieren und die Erlöse aus den Bereichen Merchandising, Rechtevermarktung, Online-Portale, Pay-TV, Video-on-Demand und Mobile-Media-Anwendungen zu verbessern. Hierzu gehören aber auch eine mögliche Beteiligung der Sender an der pauschalen Leerträgervergütung und eine mögliche Vergütung für die Übertragung von Rundfunkinhalten im Rahmen von Public Viewing. Die RTL Group hat angekündigt mittelfristig die Hälfte der Umsätze aus werbeunabhängigen Quellen erwirtschaften zu wollen, bei der ProSiebenSat.1 Media AG liegt die dafür angepeilte Marge bei 30 Prozent. – Und natürlich haben sich die Unternehmen Sparprogramme auferlegt. Allein bei den beiden großen Unternehmensgruppen wurden die Kosten im Jahr 2009 um 400 Millionen Euro gesenkt. Eine Folge davon ist, dass fast alle Veranstalter einen Teil ihrer neuen Projekte aus Kostengründen verschoben haben. Solche Einschnitte aber bedrohen auf Dauer die Substanz der Programminhalte.

Natürlich bringt die Digitalisierung auch für die TV-Unternehmen eine Reihe neuer Vermarktungsmöglichkeiten und damit Erlösquellen, dennoch wird bei Abwägung positiver und negativer Aspekte die Finanzierung des privaten Rundfunks in Zukunft eher schwieriger als bisher. Dabei spielen selbstverständlich auch die Möglichkeiten, die die Politik dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiterhin einräumt, eine erhebliche Rolle. Man hätte deshalb über ein Werbe- und Sponsorverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinaus neue Optionen ins Auge fassen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit des privaten Rundfunks auch in Zukunft zu erhalten. Es ist deshalb mehr als bedauerlich, dass der Vorstoß Bayerns bezogen auf eine Öffnungsklausel im Rundfunkstaatsvertrag für eine Mitfinanzierung privater Rundfunkangebote aus der Rundfunkgebühr gescheitert ist. Die Länder haben sich damit selbst die Möglichkeit genommen, ein Stück eigenständige Medienpolitik in Zeiten der Globalisierung verwirklichen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Titel unserer Veranstaltung ist natürlich rhetorisch zu verstehen. Weder ist die Werbung als wichtigster Finanzierungsposten für den privaten Rundfunk Geschichte, noch sind neue Erlösmodelle gescheitert. Wir stehen da erst am Anfang. Kreative Ideen sind gefragt. Denkverbote sollten wir uns nicht auferlegen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine spannende Veranstaltung. Fast schon eine Garantie dafür sind unser Moderator Werner Lauff und die hochkarätigen Referenten, die ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich begrüße.