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Positionen & Reden

Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zur Veranstaltung „Die Rolle der Medien im US- und im deutschen Wahlkampf“ am 13.11.2012

13.11.2012 | P&R 2012


- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrter Generalkonsul,
sehr geehrte Mrs. Selvin,
sehr geehrter Herr Kastan,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie hier in der BLM zu unserer Kooperationsveranstaltung zwischen der BLM und dem US-Generalkonsulat in München begrüßen zu dürfen. Und besonders freue ich mich, weil dies die erste gemeinsame Veranstaltung ist mit dem neuen US-Generalkonsul William Moeller, den ich ganz herzlich hier bei seinem ersten Besuch in der BLM willkommen heiße. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir gemeinsam die inzwischen seit vielen Jahren bestehende Kooperation zwischen dem Generalkonsulat und der Landeszentrale fortsetzen werden.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vergangener Woche, meine Damen und Herren, fielen gleich mehrere Rekorde: „Four more years – vier weitere Jahre“ twitterte der Wahlsieger Barack Obama. Dieser Tweet erreichte 22,9 Millionen Follower, die die Nachricht weiter verbreiteten. 350.000 Re-Tweets in wenigen Minuten waren die Folge. Diese drei Worte aus 15 Zeichen bedeuten einen neuen Rekord im sozialen Netzwerk Twitter. Ein Politiker führt nun die Hitliste bei Twitter an. Barack Obama hat damit den Teenie-Star Justin Bieber überholt.

Diese Nacht war die Twitter-Nacht schlechthin: Als Obama zum Sieger gekürt wurde, transportierte Twitter nach eigenen Angaben mehr als 327.000 Tweets in der Minute. Insgesamt 32 Millionen Mal wurde zur Wahl an diesem Tag „gezwitschert“.

Auf Facebook konnte der alte und neue Präsident mit der schlichten Botschaft „Four more years“ innerhalb von wenigen Minuten fast eine halbe Million „likes“ einsammeln.
Auch Herausforderer Mitt Romney ist bei Twitter. Er hat aber nur rund 1,8 Millionen Follower. Und sein letzter aktueller Tweet lautete zwei Tage nach der Wahl noch immer: „Please vote today“. Überspitzt könnte man sagen: Romney ist auch an den sozialen Netzwerken gescheitert. Er hat es nicht verstanden, sie so wie Obama zu nutzen.

Die Wahl 2012 unterscheidet sich noch einmal deutlich von der Präsidentschaftswahl 2008. So sagte Nick Bilton, Kolumnist der New York-Times: „Im Jahr 2008 twitterten wir, was wir im Fernsehen sahen. Vier Jahre später reden sie im TV, was wir auf Twitter schreiben.“

Soziale Medien sind fester Bestandteil der Politik, zumindest in den Vereinigten Staaten.
Und Barack Obama ist derjenige, der alle Rekorde in dieser Hinsicht gebrochen hat.
Für die politische Kommunikation sind die sozialen Netzwerke unerlässlich geworden. Präsident Obama ist dadurch für viele politische Akteure ein Vorbild, auch bei uns.

Und doch gibt es eklatante Unterschiede zwischen den USA und Deutschland. Getwittert wurde am Wahltag z.B. ein Foto, das einen gelben Signalstreifen direkt am Eingang zu einem Wahllokal mit der Aufschrift: „No campaigning beyond this point – Keine Wahlwerbung hinter dieser Linie“ zeigt. Ein Land, in dem die Parteien bis auf die letzten Meter vor der Wahlurne für sich werben, macht andere Wahlwerbung als bei uns. In Deutschland ist es gute Tradition, dass am Wahltag selbst keine Wahlwerbung mehr gemacht werden darf.

Amerika ist anders, auch was die Kosten der Präsidentschaftskampagne angeht. Diese haben nämlich alles Bisherige in den Schatten gestellt: Mit geschätzten sechs Milliarden US-Dollar war es der teuerste Wahlkampf aller Zeiten. Zum ungehinderten Geldfluss hat die Zulassung der sogenannten „Super-PACs“ geführt. Political Action Committees gibt es in den USA schon lange. Dass diese aber die Möglichkeit haben, Wahlkampfspenden in unbegrenzter Höhe zu leisten, wenn auch nicht direkt an die Kandidaten, hat die Schleusen erst geöffnet, mit der Republikaner und Demokraten aus dem Vollen schöpfen konnten.
Im Swing-State Ohio haben die Parteien in den letzten 5 Tagen vor der Wahl 50 Millionen Dollar in Wahlkampfspots gesteckt. Ein Beobachter berichtete fast verzweifelt: Es gibt nur noch Wahlwerbung auf allen Kanälen.

In Deutschland hat Wahlwerbung sehr enge Grenzen. Wahlwerbung ist bei uns streng genommen gar keine Werbung, sondern Staatsbürgerkunde, für die die Sender Programmzeit zur Verfügung stellen. Wahlwerbung darf nicht innerhalb der Werbeblöcke platziert werden. Entsprechend dürfen die Anbieter dafür lediglich einen Selbstkostenpreis erheben. Wahlwerbespots der Parteien dürfen nur zwischen dem 31. und dem vorletzten Wahlkampftag gesendet werden.
Und Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle: Nicht die reichste Partei sendet die meisten Spots, sondern die mit den meisten Wählerstimmen bei vergangenen Wahlen.
Für unsere amerikanischen Gäste ist dies wahrscheinlich kaum vorstellbar: In lokalen bis landesweiten Fernseh- und Radiostationen hatte die stärkste Partei der letzten Bundestagswahl während des gesamten Zeitraums jeweils 25 Minuten Werbezeit. In bundesweiten Angeboten hatte dieselbe Partei 12 Minuten.

Amerika ist anders auch bei der Frage, wie mobilisiere ich die Wählerinnen und Wähler? Wie spreche ich sie richtig an? „Datamining“, das Datenschöpfen und „Microtargeting“, die zielgenaue Wähleransprache scheint mehr denn je Schlüssel zum Erfolg.
Obama beschäftigte 100 Spezialisten, die Daten gepflegt und zusammengeführt haben, 2008 waren es nur 10. Der Datenschatz der Demokraten soll 30 Millionen E-Mail Adressen und entsprechende Profile umfasst haben. An diese Adressen hat das Obama Team 1.650 E-Mails zu unterschiedlichen Themen verfasst. So konnten die Parteien auch zielgenau um Spenden werben.

Deutschland ist auch hier anders, zumindest bisher und doch rücken beide Länder näher zusammen. Vorbei die Zeiten, dass sich wie im Bundestagswahlkampf 2009 nur wenige Politiker auf Twitter einließen. Heute besitzen allein 171 Mitglieder des Bundestages einen Twitter-Account. Manche zwitschern politisch, manche eher privat. Wie stark Twitter schon im Mainstream angekommen ist, zeigt sich z.B. daran, dass „Bild.de“ Bundesumweltminister Peter Altmaier schon zum Twitter-König ausgerufen hat. Und dieses „Gezwitscher“ wird bis zur Bundestagswahl zunehmen.

Es geht darum, sagt Julius van de Laar, der einzige Deutsche in Präsident Obamas Wahlkampfteam, Echtzeit-Kommunikation zu betreiben und Echtzeit-Debatten zu führen. Dank Twitter oder Facebook sind die Parteien unabhängig und nicht mehr nur auf die Medien angewiesen. Allerdings kann das Internet nicht die Themen ersetzen. Und deshalb entscheidet das Internet zwar nicht die Wahl, aber es gibt einen Trend vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

das waren meine Eindrücke von der Wahl in den USA, die wir alle gebannt verfolgt haben. Ich bin nun sehr gespannt auf die Bewertungen unserer Experten. Zu ihnen gehört selbstverständlich auch der neue US-Generalkonsul in München und langjährige Deutschlandexperte William Moeller, an den ich jetzt das Mikrofon übergeben darf.