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Positionen & Reden

Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zur Eröffnung der Lokalrundfunktage am 9. Juli 2013 in Nürnberg

09.07.2013 | P&R

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrter Herr Staatsminister, lieber Thomas,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Maly,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen zu den 21. Lokalrundfunktagen hier in Nürnberg, dem Treffpunkt des lokalen Rundfunks in Deutschland. Hier werden Fragen rund um die lokalen Medien, speziell des lokalen Rundfunks, diskutiert. Wie sehen seine Chancen und Möglichkeiten aus, sich auch in Zukunft gegen zunehmende Konkurrenz im Medienmarkt zu behaupten? Wenn man Jeff Jarvis, einem der einflussreichsten Medienvisionäre der Gegenwart, Glauben schenkt, müssen wir uns da keine Sorgen machen. Für ihn gehört die Zukunft den lokalen Medien. In einem Interview Anfang diesen Jahres sagte Jarvis: „Ich glaube, dass mobil ein Übergangsbegriff ist. Er wird früher oder später lokal bedeuten.“ Und er ist überzeugt, dass sich im Lokalen ein robustes und nachhaltiges Geschäftsmodell aufbauen lässt.
Der Zufall wollte es, dass der Aufhänger für dieses Interview der Wirbelsturm Sandy war, der im vergangenen Herbst Teile von New York und New Jersey verwüstet und überflutet hat. Im Interview geht es um die Bedeutung der lokalen Medien in Krisenzeiten. Krisen, so Jarvis, seien eine Chance für lokale und regionale Medien, ihre Relevanz zu beweisen. In Deutschland und Bayern war es kein Wirbelsturm, der ganze Landstriche und Orte unter Wasser gesetzt hat, sondern verheerende Regenfälle mit dramatischen Hochwasserfolgen für Tausende von Menschen. Und auch hier wurde sichtbar, welch enorm wichtige Rolle gerade der lokale Hörfunk und das lokale Fernsehen sowie die Einbeziehung sozialer Medien in einer solchen Situation spielen können.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sender in den am stärksten betroffenen Städten Deggendorf und Passau haben in den zurückliegenden Wochen großartige Arbeit geleistet. Sie haben gezeigt, dass die besondere Bedeutung der lokalen Medien in solchen Krisenzeiten unmittelbar zusammenhängt mit der Nähe dieser Medien zu den Menschen. Dies gilt für die lokalen Fernsehsender DONAU TV und Tele Regional Passau ebenso wie für die Hörfunksender unserRadio Passau und unserRadio Deggendorf, aber auch für die Lokalradios und das lokale Fernsehen in Rosenheim, Straubing und Regensburg. Dabei wurden nicht nur die Hörfunk- und Fernsehkanäle genutzt, um über die jeweils aktuelle Lage zu informieren, den Einsatz von Helfern zu koordinieren und in einer dritten Phase Spenden zu akquirieren, sondern gezielt auch die eigenen Facebook-Seiten eingesetzt, um in Echtzeit die jeweils aktuelle Situation zu dokumentieren. Der lokale Rundfunk hat seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt: Mit einem gewaltigen Einsatz und Engagement oft bis zur Erschöpfung, kenntnisreich und sensibel, ohne Panik zu verbreiten.
Ihr großartiger Einsatz hat sich gelohnt, für die Menschen in ihren Sendegebieten, aber auch für sie als Sender: DONAU TV, so hat mir Geschäftsführer Thomas Eckl erzählt, konnte innerhalb einer Woche die Freunde auf Facebook mehr als verdoppeln, bei unserRadio Passau sind die Zugriffe auf die Homepage im Vergleich pro Tag teilweise um das 30- bis 40-fache gestiegen. Ich bin überzeugt, dass es in ihren Sendegebieten viele Menschen gibt, die jetzt einen anderen Blick, ein anderes Verhältnis zu ihrem lokalen Sender haben. Aus sonst primär linear berichtenden Programmen sind über das Internet, über Facebook und YouTube lokale Plattformen geworden, auf denen Menschen mit Rat und Tat geholfen wurde.
Dass das nicht nur in Krisen- und Katastrophenzeiten funktioniert, sondern auch im normalen Sendealltag stattfindet, werden Sie gleich bei der anschließenden Preisverleihung an zwei Beispielen erleben, wenn z.B. Hörfunkredakteure zur Videokamera greifen oder TV-Volontäre eine Facebook-Kampagne starten. An dieser Stelle gilt mein Dank der neu zusammengestellten Jury des Hörfunk- und Fernsehpreises mit Dr. Susanne Zimmer an der Spitze. Die Jury-Mitglieder werden später in einem kurzen Film noch einmal vorgestellt. Ihre Entscheidungen lassen durchaus eine neue und eigene Handschrift erkennen. Lassen wir uns also überraschen.

Was erwarten die Menschen von den Medien und wie ändern sich diese Bedürfnisse? Der „Münchner Kreis“ hat vor kurzem eine Studie vorgestellt, die dieser Frage nachging. Am stärksten ist demnach das Bedürfnis nach Sicherheit beim Nutzer. Einerseits geht es dabei um Datensicherheit und den Schutz persönlicher Daten, anderseits um die Vertrauenswürdigkeit von Inhalten. Die Inhalte wiederum sollten auf den persönlichen Informationsbedarf der Nutzer zugeschnitten und handlungsrelevant sein. Genau das haben das lokale Fernsehen und das Lokalradio während der Flut praktiziert.
Beim Punkt Vertrauenswürdigkeit von Informationen kommt die „Marke“ ins Spiel. Sie bietet den Nutzern unabhängig vom Thema im positiven Sinn die Gewähr für die Qualität der Nachricht. Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Studie ist, dass die Rezipienten zunehmend erwarten, über die genutzten Medienangebote mit anderen Personen zu kommunizieren. Auch das ist in der Krisensituation der vergangenen Wochen über die Informations- und Kommunikationsplattform Lokalradio bzw. Lokalfernsehen passiert.

Und schließlich erwarten die Rezipienten, dass sie das Medium ihrer Wahl orts- und zeitunabhängig nutzen können. Die Abrufe über mobile Endgeräte wird für alle Medienmärkte immer wichtiger. Auch für die Webradionutzung ist sie der wichtigste Treiber, wie der BLM-Webradiomonitor 2013 zeigt. Demnach erfolgten 2013 bereits drei Viertel der mobilen Abrufe über eine eigene App oder die mobil-optimierte Website der Webradio-Sender. Laut Prognose von Goldmedia wird sich die mobile Nutzung bis 2015 noch weiter zugunsten von Apps verschieben. Weitere Ergebnisse erfahren wir später noch bei der Präsentation des Webradiomonitors.

Eine weitere Studie sorgt bei den Teams der Lokalsender jedes Jahr für Spannung: die Zahlen der Funkanalyse Bayern 2013. Um nicht zu viel zu verraten, greife ich nur kurz drei wichtige Ergebnisse heraus. Die Privatradios haben ihre führende Marktposition, gemessen an der Hördauer, im Vergleich zu den Hörfunkprogrammen des Bayerischen Rundfunks weiter ausgebaut: Sie erreichen zusammengenommen einen Marktanteil von 48,4 Prozent, während der BR auf 43,7 Prozent Marktanteil kommt. Sowohl die bayerischen Lokalradioprogramme als auch der landesweite Sender Antenne Bayern konnten jeweils ihr bestes Ergebnis in der Geschichte der bayerischen Privatradios erzielen. Mit der Hörfunkentwicklung können wir also sehr zufrieden sein.
Respektabel sind auch die Werte für Digitalradio. Immerhin fast jeder zehnte Nutzer verfügt schon über einen DAB+-Empfang. Und 237.000 Personen in Bayern hören laut Funkanalyse bereits täglich Digitalradioprogramme. Diese Reichweiten sind aber wenig Wert, wenn Sie nicht vermarktet werden können. Dazu benötigen die Sender den zusätzlichen Nachweis in der agma. Die Erhebungs- und Ausweisungsregeln der agma stellen jedoch eine hohe Hürde für jeden neuen Sender dar, der sein Programm nicht über UKW ausstrahlen kann. Innovation wird im deutschen Radiomarkt damit leider erschwert. Dabei hat sich das bestehende terrestrische Radioangebot dank Digitalradio bereits an einigen Orten verdoppelt. Da die Akzeptanz von Digital Radio beim Nutzer steigt, ist es nunmehr an der Zeit, dass die agma ihre Radio-Erhebungskonvention aus der analogen Zeit an die digitale Welt anpasst. Nur so ist meines Erachtens eine valide und sachgerechte Ermittlung der Reichweiten möglich.
Auch bei der Erfassung der mobilen Nutzer sehe ich dringenden Handlungsbedarf für die Reichweitenerhebung von Radio. 43 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Nutzer nutzen laut Funkanalyse bereits überwiegend das Handy und sind über Festnetztelefon nicht mehr oder kaum noch erreichbar. 24 Prozent der 14- bis 29-Jährigen wollen in den nächsten zwei Jahren das Festnetz abschaffen und wären mit der gängigen CATI-Methode nicht mehr erreichbar.
Bleiben wir in der digitalen Welt: Im Lokalfernsehen ist das Reichweitenpotenzial aufgrund der 2012 erweiterten digitalen Satellitenverbreitung erheblich gestiegen. An den Standorten Augsburg und Nürnberg, an denen die Umstellung der Satellitenfrequenz bereits im April 2012 erfolgte, wurde ein deutlich höherer Anteil an der Gesamt-Tagesreichweite durch die Satellitenverbreitung erzielt. Das zeigt, dass über DVB-S noch ein hohes Entwicklungs-potenzial für die Lokal-TV-Sender vorhanden ist.
Wie sich die Bedürfnisse der Mediennutzer verändern, zeigt die Haushaltsausstattung mit Fernsehgeräten. Danach besitzen bereits 9,1 Prozent der bayerischen Bevölkerung ein Smart-TV-Gerät, mit dem sie auch online gehen können. 2012 waren es noch 7,8 Prozent. Damit steigert sich auch das Potenzial des Hbb-TV-Lokalportals, über das nicht nur die bayerischen Lokalfernsehprogramme abgerufen werden können. Was die Nutzung von Mediatheken oder Livestreams der Lokal-TV-Sender betrifft, haben von dieser Gelegenheit bereits 648.000 Zuschauer in Bayern Gebrauch gemacht – gegenüber knapp 400.000 im Vorjahr. Das Internet spielt also eine immer gewichtigere Rolle.

Die Lokalrundfunktage sind in erster Linie nicht das Forum, auf dem Themen der nationalen oder internationalen Medien- oder Netzpolitik angesprochen werden, aber die Zusammenhänge werden vor allem durch die zunehmende Bedeutung des Internets komplexer. So könnte beispielsweise auch für die lokalen Rundfunkanbieter viel davon abhängen, ob sie bei der Verbreitung ihrer Angebote über das Internet nicht schlechter gestellt sind als etwa ein Streaminganbieter wie Spotify.
Netzneutralität ist hier das Stichwort, das spätestens seit der Ankündigung der Telekom zu Tarifänderungen ab 2016 in aller Munde ist. Im novellierten Telekommunikationsgesetz von 2012 ist die „diskriminierungsfreie Datenübermittlung“ festgeschrieben. Auch nach dem Entwurf der entsprechenden Rechtsverordnung des Wirtschaftsministeriums sind alle Netzbetreiber dazu verpflichtet, Daten nach dem sog. „Best Effort“-Prinzip zu übermitteln, d.h. „unterschiedslos und schnellstmöglich“. Nicht erfüllen würde diese Forderung derzeit beispielsweise das seit etwa einem Jahr bestehende Abkommen der Telekom mit Spotify. Der Datenverbrauch beim Hören von Spotify wird aktuell nicht dem Datenvolumen des jeweiligen Nutzers angerechnet.
Das heißt, wir haben es hier mit einer Diskriminierung der Angebote anderer Anbieter, z.B. der Angebote des lokalen Rundfunks zu tun, die nicht hinnehmbar ist. Es kann nicht sein, dass kleinere Angebote mit geringeren finanziellen Möglichkeiten gegenüber großen, multinational aufgestellten Providern das Nachsehen haben. Vor allem kann es nicht sein, dass Rundfunkangebote diskriminiert werden, die eine elementare Funktion für unsere Gesellschaft erfüllen, wie wir das aktuell bei der Flutkatastrophe erlebt haben.

Auch wenn heute mit ein paar Mausklicks im World Wide Web die weite Welt zum globalen Dorf wird, in dem es keine Raum- und Zeitgrenzen gibt, suchen die Mediennutzer nach wie vor reale Nähe. Deshalb muss die Forderung „Think global, act local“ weiterhin die Maxime für die lokalen Medien bleiben, die über das Vermitteln lokaler Identität ihre Stärken ausspielen können. Je mehr das über echte Dialogplattformen passiert, desto mehr werden die Sender davon profitieren. Beispiele für gelungene Ansätze in diesem Bereich gibt es genug. Viele davon werden in den kommenden zwei Tagen hier auf den Lokalrundfunktagen vorgestellt.

Es gehört zu den anthropologischen Konstanten, dass wir uns umso mehr nach dem Vertrauten sehnen, je radikaler die Veränderungen um uns herum sind. Das Vertrauteste auf den Lokalrundfunktagen war 21 Jahre lang das Medienfest auf der Burg. Diese Konstante, diesen Anker muss ich Ihnen leider in diesem Jahr nehmen. Die Burg wird umgebaut und erhält ein neues Museum. Daran kann leider auch die BLM nichts ändern. Ich verspreche Ihnen aber, dass wir heute Abend auch im Germanischen Nationalmuseum ein gelungenes Fest feiern werden mit Konstanten wie „Zwa in aan Weckla“, der Siegerband des Galaxy-Award und der anschließenden Party im Mach 1.

Uns allen wünsche ich in den kommenden zwei Tagen interessante Veranstaltungen, intensive Diskussionen und anregende Gespräche.