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Positionen & Reden

Grußwort von BLM-Geschäftsführer Martin Gebrande bei den Augsburger Mediengesprächen 2014 am 1. Oktober 2014

29.09.2014 | P&R 2014
- Es gilt das gesprochene Wort! -
 
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
ich freue mich, Sie heute zu den 12. Augsburger Mediengesprächen begrüßen zu dürfen. Zunächst möchte ich mich bei den Gesellschaftern, Geschäftsführern und Mitarbeitern der Augsburger Hörfunk- und Fernsehsender, aber auch bei der Augsburger Allgemeinen für die Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken. Sie haben die Augsburger Medienge­spräche damit zu einem festen Bestandteil der hochkarätigen Medienveranstaltungen in Bayern gemacht. Mein Dank gilt selbstverständlich auch der Stadt Augsburg und Ihrem Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl. Die Stadt stellt uns seit Jahren ihre repräsentativen Räume hier im Rathaus unentgeltlich für diese Veranstaltung zur Verfügung.
 
Die 12. Augsburger Mediengespräche widmen sich dem Thema „Big Data Revolution – Wie verändern die Daten unser Leben?“. Die heutige Veranstaltung findet im Rahmen der Medienkompetenztage Bayern statt, die vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie ausgerichtet werden. Von Montag bis heute haben über 60 Workshops, Elternabende und Fachtagungen zur Medienkompetenz stattgefunden, ein Thema, das gerade auch mit dem unseren am heutigen Abend eng zusammenhängt. Denn ob wir es wollen oder nicht, ob wir den Like-Button bei Facebook drücken, bei Amazon online shoppen oder bei Google suchen: All diese Tätigkeiten hinterlassen digitale Spuren und produzieren Daten. Die Summe aller Daten im Internet verdoppelt sich laut einer Analyse der International Data Corporation derzeit etwa alle zwei Jahre. Die daraus resultierenden Zahlen-Konglomerate sind längst zum begehrten Rohstoff geworden, der sich wirtschaftlich nutzen lässt. Das Schlagwort, das in diesem Zusammenhang viele elektrisiert, heißt Big Data.
 
Der Begriff Big Data wurde erstmals im Jahr 2000 von einem Forscher der Universität von Pennsylvania benutzt. Vor etwa sieben Jahren tauchte der neue Terminus für das Sammeln, Speichern und Analysieren großer Datenmengen regelmäßig in Blogs auf. Big Data erlaubt es, durch das statistische Herstellen von Korrelationen aus dem Datenmeer der großen Zahlen einzelne Indikatoren herauszufischen, die offenbar miteinander in Beziehung stehen. Deshalb schwärmen Datenexperten von der rechnergestützten Analyse komplexer sozialer Systeme und von Prognosen, die zuverlässiger sein sollen als alles Bisherige. Hochleistungsrechner, schnelle Datenleitungen und moderne Software   ermöglichen es, aus dem schier unendlich wirkenden Kosmos gespeicherter Daten bestimmte Zusammenhänge herauszufiltern, die durchaus auch personenbezogen sein können. Deshalb warnen Kritiker vor gläsernen Bürgern und einer Tyrannei der zur Datenanalyse eingesetzten Algorithmen.
Das Sammeln und Auswerten großer Zahlenmengen kann Entwicklungen und ungeahnte Zusammenhänge deutlich machen, die sonst nicht sichtbar sind. Und auch präzise Voraussagen werden möglich. Unternehmen und staatliche Einrichtungen können dank detaillierter Daten besser planen. Dazu zwei Beispiele:
 
Im Universitätskrankenhaus in Toronto fiel bei der Analyse der Vitalfunktionen von Frühgeborenen auf, dass sich jeweils etwa 24 Stunden vor dem Ausbruch von Infekten alle Vitalfunktionen der Babys plötzlich stabilisierten. Was auf den ersten Blick Entwarnung signalisiert, gilt inzwischen als zuverlässiger Indikator für eine bevorstehende Krankheit der Frühgeborenen. Seitdem können sie rechtzeitig medikamentös behandelt werden.
 
Nicht nur in den USA arbeitet die Polizei inzwischen mit einem Programm namens Predictive Software. Das System sagt für Städte wie Chicago, Boston oder Los Angeles voraus, in welchen Stadtteilen zu welcher Tageszeit die höchste Wahrscheinlichkeit für Einbrüche oder Diebstähle besteht. Ein Algorithmus kombiniert dafür Pendlerströme und soziökonomische Daten der Anwohner mit Erkenntnissen der Kriminalstatistik.
 
Auch Medienunternehmen setzen längst auf Big Data:
 
Der vor gut 14 Tagen in Deutschland gestartete US-Streaming-Dienst Netflix weiß dank gezielter Datenauswertung mehr über die Wünsche und Nutzungsgewohnheiten des Publikums als alle TV-Programmmacher. Anhand von Kundenangaben und Nutzungs­daten können Computeralgorithmen nicht nur sammeln, wer was wann wie lange guckt, sondern auch vorherbestimmen, welche neuen Formate Erfolg versprechen. Netflix liest aus Millionen von Streams heraus, welche Themen, Handlungen und Einzelszenen wen besonders bewegen. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, wie sich künftige Serienerfolge planen lassen.
 
Das Phänomen der großen Zahl – also Big Data – kann uns helfen, unsere Welt besser zu verstehen. Im besten Fall lässt sich ein Stück Zukunft vorhersagen und besser gestalten. Doch diejenigen, von denen die Datenmassen in Prognosen verwandelt werden, dürfen ihre Macht nicht missbrauchen. Und es gilt, einen weiteren Fehler zu vermeiden: Wir Menschen neigen dazu, ständig nach Ursache-Wirkungsmustern zu suchen, die uns die Welt erklären. Viele Zusammenhänge aber, die Big Data sichtbar macht, erscheinen uns zwar als kausal, sind es aber nicht.
 
Manches, was statistisch auf ein Ursache-Wirkungsschema hindeutet, ist im Reich der großen Zahlen nichts anderes als ein Artefakt, also ein künstlich geschaffenes Phänomen, das mit echter Kausalität nicht viel zu tun haben muss. Ein Beispiel: So könnte etwa im Zehn-Jahres-Vergleich aus sinkenden Ausgaben der Privathaushalte für Online-Verbindungen bei gleichzeitig steigender Internetverbreitung geschlossen werden, dass jeder Einzelne weniger surft, als dies früher der Fall war. Das ist natürlich ein Trugschluss. Vielmehr sind ganz einfach die Tarife gesunken und Flatrates eingeführt worden. Nicht immer lassen sich Fehlinterpretationen so leicht vermeiden. Es ist also wichtig, in einer vernetzten Welt das große Ganze im Auge zu behalten und nicht einzelne Faktoren künstlich zu isolieren.
 
Und es gibt weitere Schattenseiten von Big Data: Experten sprechen von Data-Mining, wenn sie aus der Flut der Daten verwendbare Erkenntnisse schürfen. Die Entwickler von Algorithmen suchen ständig nach statistischem Material, um künftiges Verhalten von Verbrauchern vorhersagen zu können. Zum Beispiel analysieren Algorithmen Facebook-Likes, um persönliche Ansichten und Vorlieben einzelner Community-Mitglieder zu identifizieren. Schließlich soll so auf politische Einstellungen, auf Wertvorstellungen und das Verbraucherverhalten geschlossen werden.
 
Wenn wir Datenschutz gewährleisten und Datenmissbrauch verhindern, ist Big Data eine große Chance. Was wir brauchen, ist eine Art Informationsökosystem, bei dem jeder die Verwendung seiner persönlichen Daten selbst in der Hand hat und anonymisierte Daten für alle nutzbar öffentlich zur Verfügung stehen. So wird mehr Transparenz möglich, mehr Partizipation, mehr Wachstum und eine bessere Steuerung von komplexen sozialen Systemen – ganz gleich ob im Verkehrs- oder Gesundheitswesen, bei der Logistik oder in öffentlichen Entscheidungsprozessen.
 
Wie das aussehen könnte, werden unsere Experten, die ich an dieser Stelle herzlich begrüße, im Anschluss diskutieren.
 
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und darf zunächst das Mikrofon an Oberbürgermeister Dr. Gribl übergeben.