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Positionen & Reden

Grußwort des DLM-Vorsitzenden Siegfried Schneider auf der Medienanstalten-Veranstaltung „Ganz meine Meinung? Politische Meinungsbildung in sozialen Netzwerken“ am 8. März 2017 in Berlin

08.03.2017 | P&R 2017
- Es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
heute vor genau vier Monaten hat Donald Trump die US-Wahl gewonnen. Ganz egal, ob sein Faible für Twitter und Co. dabei den Ausschlag gegeben hat oder nicht – seitdem ist eine öffentliche Diskussion über die Regeln sozialer Kommunikation im Netz und damit über die Werte unserer Gesellschaft entstanden, die es in der Intensität so noch nicht gegeben hat. Und das ist richtig so: Zwar gab es auch in vordigitalen Zeiten schon Falschnachrichten. Schon immer wurden Gerüchte und Tatsachen verdreht, um Einfluss zu nehmen. Doch durch die sozialen Medien gelangen manipulierte Informationen, Lügen und Hass schneller und unkontrollierter denn je an ein großes, ja ein globales Publikum. Facebook und Twitter sind zu Hauptverbreitungskanälen von bewusst gefälschten Nachrichten, so genannten „Fake News“, sowie von Hasskommentaren und -beiträgen geworden. Beide Phänomene sind heute so mächtig, dass sie politische Debatten und eventuell auch Wahlen beeinflussen. Deshalb haben die Medienanstalten in Kooperation mit der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen heute zur Diskussion über „Politische Meinungsbildung in sozialen Netzwerken“ eingeladen. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich dazu!
 
Die Diskussion über Zuständigkeiten und Verantwortungen, die nicht nur die Medienanstalten, sondern auch Politiker, Medienhäuser und Wissenschaftler gerade führen, ist wichtig. Denn schon die Debatte kann etwas bewirken. Aber reicht die Debatte aus? Wir müssen uns ganz explizit fragen, ob wir die beschriebenen negativen Aspekte der sozialen Medien mit den vorhandenen Instrumentarien in den Griff bekommen. Oder ob wir, um gegen entsprechende Rechtsverletzungen vorzugehen, doch auch Gesetzesanpassungen und neue Regularien brauchen.
 
Denn in einem „postfaktischen“ [Wort des Jahres 2016] Zeitalter wollen die meisten von uns nicht leben. Es muss gewährleistet sein, dass der (politische) Meinungsbildungsprozess in unserer demokratischen Gesellschaft auch künftig auf Basis von Tatsachen und nicht auf Basis bewusst manipulierter Nachrichten [Trump-Speech: „alternative Fakten“] stattfindet. Deshalb sollten wir in der virtuellen Welt genauso konsequent gegen Verleumdung oder Falschdarstellung vorgehen wie in unserer realen Welt.
 
Die Medienanstalten beschäftigen sich – übrigens nicht erst seit Trumps Wahlerfolg – intensiv mit der Rolle von Intermediären wie Facebook oder Twitter im Meinungsbildungsprozess und den Phänomenen Fake News, Hate Speech und Social Bots. Um einen ersten Überblick auf dieses bislang kaum erforschte Feld zu bekommen, haben wir bereits im Frühsommer 2016 zwei Forschungsprojekte zum Thema in Auftrag gegeben – Herr Prof. Hasebrink und Herr Dr. Schmidt vom HBI sind ja heute auch hier. Herr Dr. Schmidt wird uns sicher gleich einen tieferen Einblick in die im November letzten Jahres publizierten Ergebnisse zur Relevanz von Intermediären für die Meinungsbildung geben. Im Anschluss daran hält Frau Prof. Stark einen Vortrag zur politischen Meinungsbildung auf Facebook. Sie hat dazu im Rahmen eines Kooperationsprojekts der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen mit der Universität Mainz geforscht. Der dritte – praktische – Input zum Thema kommt schließlich, bevor es in die Podiumsdiskussion geht, von dem Politik- und Strategieberater Julius van de Laar. Bereits an dieser Stelle vielen Dank an alle Referenten!
 
Ohne zu viel vorwegzunehmen – fest steht: Die Relevanz der Intermediäre wird mit Sicherheit weiter zunehmen.
 
Die Bund-Länder-Kommission hat in ihrem Abschlussbericht festgehalten: Intermediäre sollten – ich zitierte – „ihre zentralen Kriterien der Aggregation, Selektion, Präsentation und ihre Gewichtung von Informationen“ – Zitat Ende – kenntlich machen. Darauf verweisen auch die Ergebnisse unserer Studien: Wir müssen mit Blick auf freien Zugang und Meinungsvielfalt darauf Wert legen, bei Intermediären Transparenz, Nutzerautonomie und Kennzeichnung eigener Angebote zu gewährleisten. Selbstverständlich sollte das Ausmaß der Vorgaben der Relevanz des jeweiligen Intermediärs entsprechen.
 
Um über die Rolle von Intermediären auch in Zukunft fundierte Erkenntnisse zu bekommen, setzen die Medienanstalten die Zusatzbefragung zu Intermediären im Rahmen ihrer MedienGewichtungsStudie fort. Schon Mitte des Jahres werden wir über Trends berichten können. Auch im Rahmen des Medienkonvergenzmonitors wollen wir die Entwicklungen der Intermediäre weiter kontinuierlich untersuchen und analysieren. Die Medienanstalten werden ihre Kompetenz und Unabhängigkeit im Bereich der Forschung auch weiter dafür nutzen, eine empirisch gestützte und differenzierte Grundlage für die weitere Diskussion über die Rolle von Intermediären in Meinungsbildungsprozessen zur Verfügung zu stellen.
 
Damit möchten wir dazu beitragen, mögliche gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und die Interessen der User zu stärken. Es ist und bleibt DAS große Anliegen der Medienanstalten, die Vielfaltssicherung im Sinne der Nutzer auch in einer digitalen Medienordnung zu verankern.
 
Dazu müssen wir aber eine Vielzahl von Fragen beantworten: Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Sammelbegriff Fake News? Was kann der klassische Journalismus dazu beitragen, Falschmeldungen zu reduzieren? Welche Möglichkeiten einer effektiven Selbstkontrolle gibt es? Wie sieht die aktuelle Rechtslage aus? Und, ganz wichtig: Wie können wir Medienkompetenz und Eigenverantwortung der Nutzer stärken?
 
Welche Rolle können die Medienanstalten bei möglichen Regulierungsaufgaben in Bezug auf Intermediäre spielen? Dazu heute nur so viel: Transparenz, Nutzerautonomie und Kennzeichnung sind Elemente, die die Medienaufsicht bereits aus anderen Kontexten kennt, etwa der Werbe- oder der Plattformregulierung. Wir sind also fachlich gut aufgestellt. Darüber hinaus sind die Medienanstalten unabhängige, mit behördlichen Exekutivbefugnissen ausgestattete Institutionen. Daher sind wir grundsätzlich geeignet, Aufsicht zu übernehmen. Ihr kann, wie etwa im Jugendschutz, eine Selbstkontrolle vorausgehen. Wegen der hohen Bedeutung für den wichtigen Prozess der freien Meinungsbildung kann diese aber weder nur freiwillig, noch ohne behördliche Kontrollbefugnisse ausgestaltet sein.
 
Klar ist auf jeden Fall eines: Es gibt Handlungsbedarf! Unsere heutige Veranstaltung soll dazu beitragen, tiefer in die Thematik einzusteigen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.