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Positionen & Reden

Rückblick und Ausblick von Dr. Erich Jooß, Vorsitzender des BLM-Medienrats am 27.04.2017

27.04.2017 | P&R 2017
Mit dieser Sitzung, meine Damen und Herren, endet die siebte Amtsperiode des Medienrats der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Sie hat – vom Gesetzgeber gewollt – ein Jahr länger gedauert, als es der regelmäßige fünfjährige Turnus vorsieht. Das war den Beratungen des Bayerischen Landtags über die neue Mediengesetzgebung geschuldet, deren Komplexität nach einem Blick in das Urteil des Bundesverfassungs­gerichtes über den ZDF-Staatsvertrag nicht verwundern konnte. Das Korrektursoll für den bayerischen Landesgesetzgeber scheint nun vorläufig erfüllt – vorläufig deshalb, weil die Länder die Medienwirklichkeit schon lange nicht mehr offensiv gestalten, sondern nur noch nachhinkend reagieren können. Das wird nicht nur am Generationengap sichtbar, der junge Mediennutzer von älteren, traditionellen Medienkonsumenten trennt. Es wird auch sichtbar an einer wachsenden politischen und gesellschaftlichen Überforderung, der wir uns stellen müssen. Auch wenn die Kassandrarufe immer lauter werden: Nein, ich gehöre nicht zu den Kulturpessimisten, die einer sterbenden Buchkultur nachweinen, obwohl sie in Wirklichkeit lebendiger denn je ist und sich gegen die elektronische Konkurrenz hervorragend behauptet. Es gibt keine Verdrängung der alten Medien durch die neuen. Aber es gibt eine nie dagewesene Vielfalt medialer Möglichkeiten, einen Überfluss an Angeboten, mit dem sich jeder von uns kritisch auseinandersetzen muss, sonst landet er im Abseits. Als die BLM gegründet wurde, verstand man unter den neuen Medien ausschließlich privaten Hörfunk und privates Fernsehen. Das sind damals – Prof. Ring wird mir Recht geben – sehr überschaubare Konstellationen gewesen. Ich habe die seinerzeitigen Frontstellungen noch lebhaft mitbekommen, als ich 1993 erstmals in den Medienrat entsandt wurde. Ab 2003 war ich dann Vorsitzender des Gremiums und stellte immer häufiger fest, dass sich die Koordinaten grundlegend zu verändern begannen. Diese siebte Amtsperiode des Medienrats endet zum ersten Mal mit einer Sitzung ohne Beschlüsse, einer Selbstvergewisserung des Gremiums, auch deswegen, weil wir mehr denn je unser eigenes Tun angesichts der rapiden Änderungsprozesse in der Medienwelt reflektieren müssen.
 
Verlassen wir einen Augenblick die Rückschau und wenden uns einem beklemmenden Beispiel unserer Medienwirklichkeit zu: Es war am Ostersonntag, als ein Mann in Cleveland, Ohio, nach einem Opfer suchte und einen Mann – grundlos, wie wir gerne sagen – auf der Straße erschoss. Gleichzeitig nahm er seine Tat mit der Handykamera auf und postete die Bilder live auf Facebook. Ein brutaler Exzess fand ungefiltert und in Echtzeit in einem sozialen Netzwerk statt. Ich könnte nun wie manche Kommentatoren auf den Inszenierungszwang dieser Netzwerke verweisen: auf die lebenszerstörende Berühmtheit für ein paar Minuten und die fatale Konkurrenz um Likes. Perversionen sind keine Erfindung unserer Zeit, ihre mediale, massenhaft rezipierte Zurschaustellung ist es schon. Diese bittere Erkenntnis kann auch ein zerknirschter Mark Zuckerberg mit dem Zugeständnis verstärkter Kontrollen nicht mehr aus der Welt schaffen. Nur autoritäre Staaten richten Disziplinierungsinstanzen für das Internet ein. In Demokratien sollte man stattdessen – neben der notwendigen Ahndung von Straftatbeständen – die bisher kaum vorhandene oder nur alibihaft demonstrierte Verantwortung der Plattformbetreiber einfordern. Das allein ist schon ein Drahtseilakt, immer begleitet von dem Verdacht der Bevormundung durch den Staat. Wenn mich jetzt jemand fragt, wo hier denn die Gremien bleiben, räume ich ein, dass wir bei solchen Fragen merkwürdig schweigsam sind. Dabei müssten wir über unsere Rolle als Aufsichtsorgane hinaus mit allem Selbstbewusstsein und jenseits wohlfeiler Empörungsrhetorik das Mediengewissen unserer Gesellschaft sein. Nicht ohne Grund sind die Landesmedienanstalten eine entscheidende Stütze des Jugendmedienschutzes  und nicht ohne Grund melden sich die deutschen Gremienvorsitzenden seit Jahren bei den Münchner Medientagen mit medienkritischen Angeboten zu Wort, in diesem Jahr mit dem Panel „Verroht der öffentliche Diskurs?“ Was als Pseudodiskurs in vielen öffentlich-rechtlichen Programmen zelebriert wird, unterwandern Ideologen immer häufiger mit Beleidigungen, Bloßstellungsstrategien und Faktenvernebelungen. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben und nötigt zum Überdenken auch der journalistischen Formate in den Medien.
 
Es gibt also viele Gründe, warum wir im Medienrat noch stärker als bisher auf die Förderung von Medienkompetenz setzen sollten. Wir dürfen stolz darauf sein, dass wir mit der Stiftung Medienpädagogik gegen erheblichen politischen Widerstand ein Instrument geschaffen haben, das mit bescheidenen personellen und finanziellen Möglichkeiten Großes leistet. Ich erinnere nur an das bayernweite Referentennetzwerk und an den mittlerweile bundesweit kopierten Medienführerschein. In den nächsten Jahren wird es darauf ankommen, dass und wie diese Stiftung ihre Aufgabenpalette bedarfsgerecht erweitern kann. Dafür benötigt sie staatliche Unterstützung, die sie dankenswerterweise auch bekommt, und sie benötigt dringend private Fördermittel. Für mich ist es mehr als enttäuschend, dass bisher weder die großen, prägenden Institutionen der Gesellschaft noch die Medienunternehmen in unserem Land bereit waren, der Stiftung beizutreten und deren finanziellen Spielraum zu erweitern. Die Stiftung Medienpädagogik der BLM ist keine Alibieinrichtung zur Pflege unserer Medienbefindlichkeiten, erst recht kein Ruhekissen für uns und für andere. Im Gegenteil: Medienpädagogik, sinnvoll eingesetzt, kann Menschen jeden Alters und jeder Herkunft befähigen, sich souverän in der Medienwelt zu bewegen. Gleichzeitig wurde während der letzten Jahre immer offensichtlicher, dass Medienpädagogik zu ihrer Fundierung dringend die Medienethik braucht. So wie Medienpädagogik und Jugendmedienschutz zwei Seiten der gleichen Medaille sind, gehören auch Medienpädagogik und Medienethik untrennbar zusammen. Gesellschaftliche Übereinkünfte sind im Medienbereich nicht denkbar ohne einen Wertekonsens, der sich ständig neu bewähren muss in der Auseinandersetzung mit der Medienwirklichkeit.
 
Ich weiß, das waren jetzt große Sätze. Verbindlichkeit gewinnen sie erst im Medienalltag. Auch darüber soll mein Rückblick anhand einiger ausgewählter Beispiele berichten. Alltag in der Arbeit der Gremien und der Landeszentrale ist Kärrnerarbeit, nur sporadisch registriert von der Öffentlichkeit. Erstes Beispiel: Eine Arbeitsgruppe der Konferenz der Gremienvorsitzenden hat mit den Vertretern des VPRT in mehreren Gesprächsrunden Leitlinien zur Kennzeichnung von Scripted Reality Formaten erarbeitet. Das ging bis hinein in das Wording und das Design der Kennzeichnungen und ist bis heute ein tragfähiger Kompromiss geblieben. Ähnliches gelang uns – zweites Beispiel – mit den bayerischen Anbieterverbänden, als wir übereinkamen, dass sexualisierte Inhalte, genauer gesagt: Werbung für Bordelle, Prostitution und sexuelle Hilfsmittel nichts zu suchen haben in den lokalen und regionalen Programmen. Obwohl der Medienrat und die bayerischen Anbieterverbänden naturgemäß sehr unterschiedliche Aufgaben und Zielsetzungen haben, gab es doch zwischen beiden Seiten nicht bloß hier einen bemerkenswerten Verständigungswillen. Beide Fälle machen deutlich, wo die eigentliche Herausforderung  für den Medienrat lag und in Zukunft noch stärker liegen wird: Er muss sich mehr denn je programmbegleitend verstehen, den ständigen Dialog mit den Anbietern suchen und bei aller Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Gegebenheiten auch den Finger in die Wunde legen können, wenn Programmformate Grenzen überschreiten. Ich erinnere hier nur an Ultimate Fighting, ein in seiner Gewalthaltigkeit abstoßendes Format der – wie es so demaskierend heißt – Mixed Martial Arts. Medienräte sind keine Geschmacksrichter. Aber sie können in die Programmdebatten ihre individuelle Biografie, ihren Erfahrungs- und Wertehorizont und ihre jeweilige Medienaffinität einbringen. Notfalls müssen sie auch ein höchst unwillkommener Störfaktor sein.
 
Auf Bundesebene waren und sind die Mitwirkungsmöglichkeiten, sieht man einmal vom Beispiel der Scripted Reality Formate ab, eher gering geblieben. Das hat mit der Dominanz der Apparate zu tun; hauptamtliche Professionalität und ehrenamtlicher Mitwirkungswille lassen sich nicht immer widerspruchsfrei zusammenspannen. Ich bin jedenfalls jahrelang durch ermüdende Selbstverständnisdebatten hindurchgegangen und rückblickend froh, dass wir nicht zuletzt mit Unterstützung von Herrn Schneider, dem aktuellen Vorsitzenden der Direktorenkonferenz, wenigstens Teilfortschritte erzielen konnten. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist dadurch endlich möglich geworden: die aktive Mitwirkung der Gremienvorsitzenden am jährlichen Programm­bericht der Landesmedienanstalten, der neuerdings als Contentbericht firmiert.
 
Natürlich bleibt es nicht aus, dass sich eine Institution auch mit den eigenen Problemen beschäftigen muss. Um Missverständnisse zu vermeiden: Der bayerische Medienrat hat sich in seiner nun schon mehr als fünfunddreißigjährigen Geschichte nie als eine Institution verstanden, die sich selbst genügt. Dazu sind die gesellschaftlichen und medialen Herausforderungen zu groß gewesen. Uns war immer wichtig: Der Medienrat ist nicht bloß ein gestaltendes und kontrollierendes, sondern auch eine rezipierendes, aufmerksam hinhörendes Gremium. So haben wir ganz selbstverständlich den Beratungsverlauf der neuen Bayerischen Rundfunk- und Mediengesetze im Parlament kritisch begleitet. Manches Neue daran kam uns gar nicht so neu vor, eher als eine dringend in Gesetzesform zu gießende Selbstverständlichkeit, beispielsweise die Inkompatibilitätsregelungen, die der notwendigen Staatsferne geschuldet sind. Anderes begrüßten wir vorbehaltlos, etwa die weiterhin sicher gestellte Parallelität zwischen Rundfunkrat und Medienrat, nicht nur was deren Zusammensetzung betrifft. Wieder anderes wurde von unserem Gremium eher gemischt aufgenommen: Dass jetzt der regulatorische Rahmen weitergespannt ist, mindert zweifellos die Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Medienrats. Neuausschreibungen von Frequenzen werden in Zukunft nur noch selten Gegenstand der Beratungen im Gremium sein. In Zeiten einer disruptiven Medienentwicklung, die alles Bestehende in Frage stellt, mag man dies als kontraproduktiv empfinden. Aber man kann darin auch ein Plädoyer für Konstanz und Berechenbarkeit wenigstens im Rundfunk- und Fernsehmarkt erkennen. Der Medienrat wird sich jedenfalls noch intensiver als bisher auf seine Wächterrolle besinnen und Programmfragen noch stärker in das Zentrum seiner Beratungen stellen müssen. Nicht nur dafür braucht er eine Geschäftsordnung, die gerichtsfest ist. Schon bisher ist diese Geschäftsordnung geprägt gewesen von der Absicht, bei allen Entscheidungen die Öffentlichkeit einzubinden und größtmögliche Transparenz herzustellen. Insofern hielt sich der Änderungsbedarf durch das neue Bayerische Mediengesetz in Grenzen. Am Nachhaltigsten war wohl die Einführung neuer Strukturen bei den Ausschüssen. So wurde der Ausschuss für Programmförderung aufgelöst und die Beratung und abschließende Beschlussfassung über die Fördermaßnahmen in die Inhalteausschüsse zurückverwiesen. Das hat sich inzwischen genauso bewährt wie die Installierung des Digitalausschusses, in dem neue Medienentwicklungen vorgestellt und analysiert werden, und des Medien­kompetenzausschusses. Mit seiner Strukturreform antwortete der Medienrat nicht zuletzt auf die Organisationsreform, die Präsident Schneider nach seinem Amtseintritt der BLM verordnete. Schließlich möchte ich auch noch den Verhaltenskodex erwähnen, den sich der Medienrat als Reaktion auf die Vorgänge rund um den früheren Vorsitzenden mit großer Einmütigkeit gab. Gremien wie der Medienrat sind Interessen ausgesetzt und müssen sich gleichzeitig von Interessen freihalten. Das geht nicht ohne einen moralischen Kompass.
 
Oft, aber beileibe nicht immer, verliefen die 47 Sitzungen in der 7. Amtsperiode des Medienrats einmütig. Das wäre auch ermüdend gewesen und hätte jene Kritiker des Systems bestätigt, die von Abnickgremien sprechen und hinter jeder Entscheidung sorgfältig inszenierte Kungelrunden vermuten. Die Wirklichkeit ist eine andere: Der Vorsitzende der SPD- Landtagsfraktion, selber Mitglied des Medienrats, attestierte mir in einem Dankschreiben, die Funktion des Medienaufsehers „mit beeindruckender fachlicher Expertise … überaus gewissenhaft und kompetent wahrgenommen“ zu haben. Das ist ein Dank, den ich ungeschmälert an das Gremium weitergebe. Wir sind kein Parlament, wir müssen nicht – wie politische Gegner – mit harten Bandagen um Wähler kämpfen. Aber auch unsere Sachdebatten wurden mit Leidenschaft und hoher Sachkenntnis geführt. Dafür gab es im bayerischen Medienrat während der zurückliegenden Jahren gleich mehrere, von der Öffentlichkeit wahrgenommene Beispiele. Ich erinnere an die Diskussion um die regionalisierte Werbung in bundesweit verbreiteten Fernseh­programmen. Dass diese Werbung im letzten Augenblick verhindert werden konnte, war dem Widerstand der Zeitungsverleger und unseres Medienrats geschuldet, der in einem „Brandbrief“ an den Ministerpräsidenten die erwartbaren verheerenden Folgen einer solchen Freigabe der Werbung für das Lokal- und Regionalfernsehen aufzeigte. Einen weiteren Anlass für noch heftigere Meinungsverschiedenheiten lieferte uns der Bayerische Rundfunk mit seinem Vorhaben, das Jugendradio „Puls“ auf eine UKW-Frequenz zu setzen und dafür die Klassikwelle auf DAB+ zu verlegen. Dass die privaten Hörfunk­anbieter dagegen Sturm liefen, weil ohnehin 80 % der Frequenzleistungen in Bayern unter das Regime des BR fallen und weil sie entgegen den offiziellen Beteuerungen ein drittes Massenprogramm nach dem Vorbild anderer ARD-Anstalten befürchten, war nur zu verständlich. Unser Beschließender Ausschuss und der Ältestenausschuss des Rundfunkrats führten darüber eine sehr kontroverse, hochaufgeladene Diskussion. Als Resultat wurde der Frequenztausch um zwei Jahre verschoben, während die gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem BR und den privaten Anbietern mittlerweile in zweiter Instanz anhängig sind. Mindestens ebenso wichtig war dem Vorstand, dass der Konflikt nicht zu einem Bruch oder zu einer lang anhaltenden Verstimmung zwischen den Gremien führt. Bei unserem letzten Treffen haben wir deshalb wieder über Themen beraten, die uns ein gemeinsames Anliegen sind, und kamen vor allem bei der Frage, wie DAB+ vorangetrieben werden kann, zu übereinstimmenden Feststellungen. Mit den regelmäßigen Zusammenkünften von Vertretern des Rundfunkrats und des Medienrats hatten wir immerhin schon frühzeitig ein Zeichen auch für andere Länder und ihre Anstalten gesetzt. Und schließlich, das ist das Wichtigste, sollten wir im Gremium nicht vordringlich unsere entsendenden Organisationen vertreten, sondern die ganze Gesellschaft, ihre Werte und ihre Medienvorstellungen im Blick behalten. Einseitige Interessenfixierung hat da nichts verloren.
 
Die größeren Konfliktherde während der 7. Amtsperiode entstammten dem Hörfunk. Der Fernsehbereich blieb dagegen eher konfliktarm. Allen Beteiligten ist seit langem klar, dass die lokalen und regionalen Fernsehprogramme nicht allein aus dem Markt finanziert werden können. Sie sind auch künftig auf staatliche Fördermaßnahmen angewiesen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Förderung, die aus europarechtlichen Gründen lediglich der technischen Verbreitung gelten kann, setzt voraus, dass die Anbieter sich ihrerseits programmlich anstrengen. Der Zuschauer darf ein Angebot erwarten, das den heimatlichen Raum mit seinen Ereignissen und Entwicklungen im Fernsehmedium widerspiegelt und interessante Akzente setzt. Der Medienrat ist hier mehr als bloß ein kritischer Beobachter. Er muss im Dialog mit den Anbietern und auf der Grundlage der Erkenntnisse der BLM eine professionelle journalistische Berichterstattung einfordern, die Voraussetzung ist für das Überleben der Sender und ihre Akzeptanz beim Publikum. Im Übrigen weisen sowohl das Bayerische Fernsehen wie die privaten Lokal- und Regional­programme ein ganz ähnliches Zuschauerprofil mit einem ähnlich hohen Durchschnitts­alter auf. Was beim BR als Generationenabbruch diagnostiziert wird, fordert auch das Lokal- und Regionalfernsehen heraus. Wer sich heute darauf verlässt, dass er in einer Publikumsnische überleben kann, hat schon morgen verloren.
 
Sowohl für die Fernseh- wie für die Hörfunkanbieter entwickelte die BLM ein Konzept 2020 und legte es dem Medienrat zur Abstimmung vor. Diese Konzepte wollen die Anbieter nicht bevormunden, sondern ihnen Entwicklungslinien aufzeigen und Vorschläge präsentieren. Die Hörfunksender in Bayern können, vor allem wenn sie außerhalb der Metropolen arbeiten, nur bei Wahrung ihrer lokalen Identität erfolgreich überleben. In einer Zeit, in der viele öffentlich-rechtlichen Programme das private Formatradio kopieren, müssen neue Wege gegangen werden. Dazu könnte schon aus Kostengründen eine verstärkte journalistische Zusammenarbeit in den Regionen gehören, sicherlich auch die gemeinsame Nutzung digitaler und vertrieblicher Ressourcen. Unabdingbar erscheint mir eine ständige Identitätsvergewisserung. Der Hörfunkausschuss hat zum Beispiel das Thema des Bürgerradios wiederbelebt und in einem Unterausschuss angesiedelt. Mit Bürgerradio meinen wir mehr als die in die Jahre gekommenen alternativen Community Radios, die in Großstädten wie München oder Nürnberg eine wichtige, jedoch begrenzte Rolle spielen und von der BLM am liebsten eine Vollfinanzierung ihrer Programme erwarten würden. Wir verstehen darunter auch und vor allem eine stärkere Einbindung lokaler Institutionen, Vereine und Persönlichkeiten in die etablierten Programme: von den Jugendringen bis zu den Hochschulen, von den Heimatpflegern bis zu den Kirchen. Schon jetzt kennt das private Hörfunksystem in Bayern viele Zulieferer und Spartenanbieter und das nicht zu seinem Schaden. Eine größere, in den Programmen professionell abgesicherte Vielfalt ist gleichbedeutend mit einer höheren Attraktivität und muss deswegen noch lange nicht mit der vielbeschworenen Durchhörbarkeit kollidieren. Die BLM unterstützt die privaten Hörfunk- und Fernsehmedien in Bayern mit einem Leistungspaket, das von der Programmförderung bis zur Ausbildung des journalistischen Nachwuchses reicht. Davon profitiert auch der BR in erheblichem Maß. Es könnte also viel gut sein in unserem Medienland. Mit wachsender Besorgnis mussten wir jedoch während der letzten Jahre die heftig ausgetragenen Interessenkonflikte zwischen den Anbieter­gruppen registrieren. Da gelingt es einigen Gesellschaftern von Antenne Bayern ohne weiteres, jährlich stattliche Gewinne aus dem Sender einzustreichen und gleichzeitig gegen ihn zu polemisieren. Ich möchte nicht missverstanden werden: Wir brauchen in dieser Wettbewerbsgesellschaft Konfliktfähigkeit, aber wir brauchen auch gemeinsame Ziele, die im rationalen Diskurs festgelegt werden. Der Medienrat hat das in seiner siebten Amtsperiode erfolgreich praktiziert.