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Lineares Fernsehen ist nicht tot - Kooperationsveranstaltung „Programmplanung im digitalen Wettbewerb“ von BLM und Adolf-Grimme-Akademie

24.10.2007 | 45 2007
Auch wenn es zur Strategie aller großen TV-Sender gehört, mit eigenen Inhalten auf möglichst allen Plattformen präsent zu sein, ist das lineare Fernsehen längst nicht tot. Passives „Lean Back-Fernsehen“ bleibt wohl auch in den kommenden Jahren die bevorzugte Haltung der Zuschauer, so brachte Heinz Günther Clobes, Leiter der Adolf-Grimme-Akademie die Ergebnisse der Kooperationsveranstaltung „Programmplanung im digitalen Wettbewerb“ der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der Adolf-Grimme-Akademie am 23. Oktober 2007 in den Räumen der BLM kurz auf den Punkt. Der Präsident der Bayerischen Landes­zentrale für neue Medien, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, hatte in seiner Einführung bereits angemerkt, dass die etablierten TV-Sender auch in der digitalen Zukunft gute Chancen hätten: „Es ist zum einen die Erfahrung, die den Fernsehmachern gerade in der zunehmend von audiovisuellem Content geprägten Medienwelt einen erheblichen Vorteil verschafft: ihr inhaltliches Wissen rund um Formate und Pro­grammschemata und das nötige handwerklich-technische Know-how zur Um­setzung. Und es ist ihr grundsätzliches Gespür für Fernsehen, das Fernsehen bleibt, auch wenn es - über das Internet verbreitet - als IPTV offeriert oder On Demand rezipiert wird.“
 
Den Anfang unter den Referenten machte Dan McGolpin, Head of Planning and Scheduling bei BBC Three, einem 2003 gegründeten TV-Programm, das vor allem junge Zielgruppen zwischen 16 – 34 Jahren ansprechen soll. BBC Three plant zum fünften Geburtstag im kommenden Jahr einen Programm-Relaunch, der der digitalen Medienentwicklung und –nutzung der letzten Jahre Rechnung tragen soll. Aus BBC Three soll ein Multi-Channel-Angebot werden, das die Nutzer zu jeder Tageszeit über unterschiedliche Plattformen erreichen will. Golpin zeigte sich überzeugt, dass die Bedeutung des linearen Fernsehens nachlassen wird. Bei den jungen Zielgruppen sei dieser Trend jetzt schon sehr deutlich. Auf YouTube ist BBC Three schon länger vertreten. Zur Zeit experimentiert man viel mit Online-, Mobile- und User generated-Content. Allerdings hob McGolpin in seinem Vortrag hervor, dass gerade die von Zuschauern selbst produzierten Inhalte nur sehr dosiert eingesetzt werden können. Nur das Beste und auch das nur in sehr kurzen Ein­heiten werde tatsächlich ausgestrahlt. Prinzipiell gebe es derzeit keine festgelegte Strategie. Man müsse viel ausprobieren und auch Risiken eingehen, um das Publi­kum tatsächlich zu erreichen.
 
Im Anschluss stellte Thomas Schultheis, Geschäftsführer der SevenSenses GmbH die Digital-Strategie der ProSiebenSat.1 Media AG vor. Bei aller bereits realisierter Diversifikation mit Pay-TV, Video on Demand-Angeboten, Online-Plattformen und Engagement im mobilen Bereich macht der Konzern doch weiterhin 85 Prozent seines Umsatzes mit Free-TV. Deshalb gehe es darum, neben dem weiteren Ausbau der Diversifikation und der Positionierung in der digitalen Welt auch das Kerngeschäft Free-TV zu stärken. Seit Jahren gebe es Prophezeiungen, dass sich das Fernsehen innerhalb kurzer Zeit komplett ändern werde, keine davon sei eingetroffen, so Schultheis. Entscheidend für ProSiebenSat.1 sei es, die Marke in die digitale Welt zu erweitern. Ansonsten teste man neue Formate im Internet und es gebe auch erste erfolgreiche Ansätze, Online-Inhalte in das lineare Fernsehen zu transformieren.
 
Ähnlich wie McGolpin und Schultheis schätzten auch die Teilnehmer der an­schließenden Diskussionsrunde, die von Hans-Jürgen Jakobs moderiert wurde, die aktuelle Entwicklung ein. So bezeichnete Martin Berthoud, Chef der Hauptabteilung Programmplanung beim ZDF den aktuellen Stand bei Erweiterung der Programm­planung in die digitale Welt treffend als „Learning by Doing“. Klar sei, so Berthoud, dass man mit starken Programmen anfangen müsse, wenn man das lineare Fernsehen in den Online-Bereich oder in das Feld der Interaktivität verlängern wolle. Dies bestätigte auch Jan Peter Lacher, Ressortleiter Strategische Programm­planung bei RTL. Im Fiktion-Bereich sei Interaktivität nur sehr beschränkt möglich, so Lacher, wesentlich bessere Chancen dafür gebe es bei Shows. Grundsätzlich zeigte er sich überzeugt, dass Live-Events in den kommenden Jahren für die großen TV-Sender noch einmal an Bedeutung gewinnen würden. Hinsichtlich der Übertragung von User-Generated-Content auf das Fernsehen war Lacher skep­tisch: Nur in den seltensten Fällen würden sich daraus TV-Formate entwickeln lassen.
 
Jürgen Hörner, Leiter Programmplanung bei ProSieben sprach von einem „Zwei-Wege-System“. Wenn Inhalte über mehrere Plattformen laufen sollen, gehe der Impuls derzeit fast ausschließlich vom Free-TV aus. Er zeigte sich allerdings überzeugt, dass man in Zukunft verstärkt auch den umgekehrten Weg erleben werde. Allerdings „solange sich die Lebenswelt der Zuschauer nicht gravierend ändere, wird sich auch das Nutzverhalten wenig ändern“, so Hörner.
Andreas Bönte, Leiter Planung und Entwicklung beim Bayerischen Rundfunk zeigte sich überzeugt, dass sich die Bedeutung des linearen Fernsehens in den kommen­den zehn Jahren nicht groß verändern wird. Wichtig für einen Sender sei eine konti­nuierliche Profil- und Markenentwicklung, die der BR mit seinem aktuellen Relaunch konsequent betrieben habe. Ein erklärtes Ziel dieses Relaunches sei es, junge Leute an das Programm des Bayerischen Rundfunks heranzuführen. Im Online-Bereich gehe es dem BR vor allem um Programmbegleitung und Hintergrund­information. Dies sei eine der großen Stärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auf die man sich in Zukunft noch mehr konzentrieren werde.
 
Auf die etwas enttäuschte Feststellung des Moderators, dass fast alles was er bisher gehört habe, nach Status Quo klinge, regte sich vorsichtiger Widerspruch. Alles werde dann doch nicht beim Alten bleiben.


>> Kontakt: Dr. Wolfgang Flieger, Tel. (089) 63 808-313, wolfgang.flieger@blm.de