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Positionen & Reden

Begrüßung von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zur Veranstaltung "Quo Vadis Digital Radio?" am 9./10. Oktober 2007 in Ingolstadt

09.10.2007 | PR 2007
 
- Es gilt das gesprochene Wort! -
 
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
ich darf Sie alle sehr herzlich zu unserer Veranstaltung „Quo Vadis Digital Radio?“ hier im Audi-Forum in Ingolstadt begrüßen. Diese Veranstaltung ist in mehrere Hinsicht eine Premiere für die BLM: Wir sind zum ersten Mal mit einer Tagung in diesen beeindruckenden Räumlichkeiten von Audi. Ich war sofort begeistert, als die Idee entstand, hierher zu gehen. Es gibt aus meiner Sicht wenige Themen, bei denen dieser Ort besser passen würde, denn um bei Digital Radio etwas zu bewegen, brauchen wir auch die Automobilindustrie. – Eine weitere Premiere ist, dass wir noch nie eine zweitägige Veranstaltung zum Thema Digital Radio gemacht haben, obwohl wir uns schon sehr lange und ausführlich mit dem Thema beschäftigen. Dies ist auch ein Ausdruck dafür, dass das Thema Radio allgemein und Digital Radio im Besonderen in den letzten Monaten deutlich an Dynamik gewonnen hat. Die dritte Premiere: Ich kann mich zumindest nicht erinnern, dass es jemals ein BLM-Forum gegeben hat, an dem der erste Tag fast komplett international besetzt war. Sehen Sie es als Zeichen dafür, dass wir erkannt haben, dass wir von den Erfahrungen anderer europäischer Länder nur profitieren können. – Und damit bin ich an dem Punkt, an dem ich mich bei Herrn von zur Mühlen und seinem Team und bei Herrn Helmut Bauer bedanken möchte, die uns bei der Planung dieser Veranstaltung unterstützt haben. Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle noch an alle Referenten richten, die teilweise von weit her angereist sind, um uns an Ihren Erkenntnissen Teil haben zu lassen. Danke und noch einmal ein herzliches Willkommen.
 
Radio ist wieder ein Thema, nach dem es über Jahre hinweg ein Stiefkind in der medien­politischen Diskussion war. Nicht im Fokus der Diskussion zu stehen, muss nicht unbedingt schlecht sein. Mein Eindruck ist, dass vielen, die im Radio-Geschäft hierzulande tätig sind, diese Tatsache ganz recht war. Es gab in den letzten Jahren zwar keine Goldgräber-Stimmung, aber man hat überwiegend gut verdient mit UKW und DAB war weit weg. Vielleicht hat man in diesen Jahren ein wenig übersehen, dass vor allem junge Hörer konstant verloren gingen und dass auch die Hördauer kontinuierlich zurückgegangen ist. Mittlerweile haben wir jedoch eine entsprechende Entwicklung, die nicht mehr zu ignorieren ist. Es geht nun wirklich darum Radio auch für die „Generation download“ attraktiv zu machen und dazu brauchen wir die Digitalisierung.
 
DAB als Nachfolgesystem von UKW ist im ersten Anlauf in Deutschland nicht erfolgreich gewesen. Das ist ein Faktum, das sich nicht schönreden lässt. Gründe gibt es dafür viele. Ich erspare es mir und Ihnen, sie an dieser Stelle im Detail aufzulisten. Zusammenfassend kann man sicher sagen, dass zu viele Partikularinteressen im Spiel waren, dass wir es alle miteinander nicht geschafft haben, an einem Strang zu ziehen, geschweige denn, die Nutzer zu überzeugen. Auch die technischen Voraussetzungen bzgl. der Empfangbarkeit waren nicht optimal.
 
Doch mittlerweile hat sich einiges geändert. Die Diskussionen und die Entscheidungen der letzten Monate zeigen, dass wir heute deutlich weiter sind, als wir es bisher jemals waren. Nach der Neuplanung der Rundfunkfrequenzen auf der internationalen Funkkonferenz RRC-06, dem aktuell abgestimmten Frequenznutzungskonzept zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk und dem Inkrafttreten des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vermutlich am 01.08.2008, der alle Rechtsgrundlagen für Digitalradio bundesweit, landesweit und regional enthalten wird, kann es Anfang 2009 losgehen. Es werden dann vier Bedeckun­gen im Band III zur Verfügung stehen, die neben bundesweiten und landesweiten Pro­grammen auch Über­tragungsmöglichkeiten für regionalen und lokalen Hörfunk beinhalten. Auf jeder Bedeckung werden 14 bis 16 Programme möglich sein. Mittelfristig werden dann noch einmal drei Bedeckungen realisiert werden mit primär landesweit strukturierten Multiplexen. – Von großer Bedeutung ist auch die beschlossene Leistungserhöhung der Sendernetze auf 10 KW, damit ein problemloser Indoor-Empfang möglich wird. Auf der Arbeitsebene hat das Verteidigungs­ministerium dieser Maßnahme auch für das bestehende Netz bereits zugestimmt. Wir gehen davon aus, dass die offizielle Zustimmung des Ministeriums jetzt kurzfristig erteilt wird. Für alle neuen Netze im Band III ist die höhere Leistung bereits gesichert.
 
Der Start der neuen Programme soll möglichst gleichzeitig erfolgen. Unter allen Beteiligten herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, dass das Medium Radio in der neuen Wettbewerbs­situation nur bestehen kann, wenn man auch bundesweite Strukturen ermöglicht. Nur so lässt sich die Rolle des Radios als Werbeträger entscheidend verbessern. Ich sage hier allerdings ebenso deutlich, dass wir als BLM keinem Einführungskonzept zustimmen werden, in dem nicht auch von vornherein die lokale und regionale Komponente ermöglicht wird und zwar sowohl programmlich als auch wirtschaftlich. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass diese Problematik nicht einfach zu lösen sein wird.
Eine ganz entscheidende Bedeutung kommt den Endgeräten zu. Es wird in Zukunft nur mit Endgeräten gehen, die multistandardfähig sind, denn die Zeiten sind wohl endgültig vorbei, in denen Radio über vorwiegend einen Standard verbreitet wird. Auch wenn wir davon ausgehen, dass in Zukunft der Schwerpunkt der digitalen Hörfunk-Verbreitung auf DAB+ und DMB liegen wird, wird es für Radio weitere Übertragungswege geben. Die Technische Kommission der Landesmedienanstalten und die Produktions- und Technik-Kommission (PTKO) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, haben vor kurzem ein Anforderungsprofil für Endgeräte erarbeitet, das jetzt mit der Industrie diskutiert werden soll. Neben der Endgeräte-Industrie sind sowohl die Automobilindustrie als auch der Handel wichtige Partner in einem „Masterplan Radio“.
 
Noch vor Standards, Multiplexen und Frequenzverteilung wird es jedoch um die Angebote gehen, die die Menschen begeistern müssen, damit Radio weiterhin ein relevantes Medium bleibt. Auch dazu werden wir heute einiges gerade von unseren britischen Gästen hören.
 
Ich habe zu Beginn gesagt, dass wir aus meiner Sicht in der Diskussion um die Einführung von Digital Radio deutlich weiter sind, als wir es in den vergangenen Jahren waren. Dennoch sind nach wie vor viele Fragen nicht geklärt:
  • Stichwort UKW: Wie geht es weiter mit UKW? Muss es nicht eine Art Bestandsgarantie auf Zeit für UKW geben, die sowohl für lokale Anbieter wichtig ist als auch für große Radiounternehmen, auf die gewaltige Investitionen im Zuge der Digitalisierung zu­kommen?
  • Stichwort KEF: Es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass die KEF die Bedarfs­anmeldung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Projektmittel für DAB abgelehnt hat. Was bedeutet das für die Digital Radio-Pläne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Kann es bei dieser Position der KEF bleiben? Und wenn ja, wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk die notwendigen Mittel zur Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks aus seinem Stamm-Haushalt aufwenden? Dass hier offensichtlich Mittel vorhanden sind, zeigt der gestrige Start des neuen multimedialen Jugendangebots des Bayerischen Rundfunks, das u.a. unter dem Titel „Bavarian Open“ eine dreistündiges Hörfunkangebot enthält, das außer über UKW, über alle anderen Verbreitungswege, also auch DAB, ausgestrahlt wird.
  • Stichwort Kosten: Neben den Inhalten das wichtigste Thema. Vor knapp 14 Tagen hat die Landesmedienanstalt in Baden-Württemberg gemeinsam mit den beiden Verbänden VPRT und VPRA eine Studie vorgestellt über die Versorgungskosten pro Einwohner und Programm. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass DAB im Vergleich nur halb so teuer ist wie UKW. Das ist zunächst ein beruhigendes Ergebnis. Wenn man dieses Ergebnis weiter durchdenkt, erweist sich die Kostenfrage allerdings sehr wohl als problematisch. Denn wir reden ja von der parallelen Weiterführung von UKW, denn darüber wird weiter­hin kurz- und mittelfristig das Geld verdient. Wir reden über den Sendernetz-Aufbau der weiteren Multiplexe und wir reden über die Verbreitung neuer Digitalangebote. Wenn wir die heutigen Werbeeinnahmen zugrunde legen, aber nicht mehr die heutigen Förder­beträge, weil das völlig illusorisch ist, wird die Problematik sehr deutlich. Hier ist ein Thema, das dringend der Klärung bedarf. Die Aufgabe der Landesmedienanstalten ist es im Bereich ihrer Möglichkeiten die Rahmenbedingungen zu schaffen. Das tun wir, in dem die Gesamtkonferenz der LMA´s im November ein Konzept zur Digitalisierung des Hörfunks vorlegen wird. Die Geschäfts­modelle müssen allerdings von den Unternehmen kommen. Die Etablierung von neuen digitalen Radioangeboten ist langfristig nur wirt­schaftlich möglich, wenn die Programme auf entsprechende Akzeptanz beim Hörer stoßen und eine Steigerung der Gattung Radio im Werbemarkt damit einhergeht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
der „Big Bang“ ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Neustart von Digital Radio in den letzten Wochen häufiger gebraucht wurde. Der Begriff steht ja ursprünglich für die Entstehung unseres Universums. Die Analogie zu Digitalradio ist dann vielleicht doch etwas hoch gegriffen. Aber wenn man bei dem Begriff bleibt, dann muss uns auch klar sein, dass dieser kommende „Big Bang“ wirklich zünden muss. Wir haben nicht mehr beliebig viele Möglichkeiten. Wenn diese Veranstaltung heute und morgen einen Beitrag zum Gelingen des „Big Bang“ leistet, dann hat sie ihren Zweck voll und ganz erfüllt.
 
Ich wünsche uns allen einen spannenden Kongress und gebe weiter an Herrn von zur Mühlen.